Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 108
Fallbeispiel 109: Die Übertragung mit Wohnungsrecht und Pflegeverpflichtung
V (72 Jahre) übertrug sein Hausgrundstück 2016 "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" auf seine Tochter T (45 Jahre). Der Wert betrug 200.000 EUR. V behielt sich ein lebenslanges Wohnungsrecht ohne jede weitere Regelung vor (Jahreswert 10.000 EUR).
T wurde vertraglich verpflichtet, V bis zu dessen Lebensende unentgeltlich zu pflegen, solange dies auf dem Grundbesitz möglich sei. V erlitt 2018 einen Schlaganfall und konnte zu Hause – auch aus ärztlicher Sicht – nicht mehr fachgerecht gepflegt werden. Er verfügte nur über eine kleine Rente und beantragt für die Heimunterbringung Sozialhilfe. Diese verweigerte das Sozialamt wegen des bestehenden Schenkungsrückforderungsanspruchs gegen die Tochter T.
Im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge werden häufig dingliche Rechte vorbehalten oder mitübernommen, an dem zu übertragenden Objekt Nutzungsrechte vorbehalten oder begründet. Dabei gibt es unterschiedliche Alternativen, die entweder zu einer Wertminderung oder einer Gegenleistung führen können.
(1) Beispiel Nießbrauch
Rz. 109
Am Beispiel des Nießbrauchs dargestellt:
Es wird ein Eigennießbrauch (Vorbehaltsnießbrauch) bestellt. Der Nießbraucher erhält nicht einen Nießbrauch an fremdem Eigentum, sondern er überträgt sein Eigentum und behält den Nießbrauch daran. Alternativ: Es wird zunächst das Eigentum übertragen und hiernach bestellt der hierzu verpflichtete Erwerber durch einen zweiten Vertrag dem Veräußerer einen Nießbrauch. In einer dritten Alternative wird alles in einem Vertrag – in einem Akt – vereinbart.
Rz. 110
Um die Annahme einer Schenkung ganz oder teilweise zu vermeiden, müsste ein solcher Nießbrauch eine Gegenleistung des Erwerbers darstellen. Gelegentlich wird dies in der Rechtsprechung so gesehen. Andere vertreten die Auffassung, es handele sich um eine Auflagenschenkung. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn die Zuwendung im Rahmen einer Altenteils-/Leibgedingvereinbarung erfolgt und der Übernehmer in die Existenzgrundlage des Übergebers eingerückt ist. In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um einen vorbehaltenen Nießbrauch außerhalb eines Altenteils und dazu wird vertreten, dass der Beschenkte verpflichtet wird, eine Last auf dem Geschenk zu dulden, nicht eine eigene entgeltliche Leistung zu erbringen.
Rz. 111
Für die Bestimmung des Wertes des Zuwendungsgegenstandes ist es letztlich egal, ob im Vertrag von "Auflage" oder "Gegenleistung" die Rede ist und ein solches auch gemeint ist. Auch wenn Leistungen als einklagbare Auflage im Sinne einer Auflagenschenkung (§ 525 BGB) darstellen, ist eine solche Zuwendung eine echte Schenkung im Sinne von § 528 BGB und die Auflage mindert den Wert der Schenkung. Ein Nutzungsrecht stellt also so oder so eine Wertminderung des Geschenkes dar und regelhaft wird nicht von einer Gegenleistung auszugehen sein.
(2) Nutzungsrechte und Wertermittlung
Rz. 112
"Die Einräumung solcher Rechte an einem unentgeltlich übertragenen Grundstück stellt grundsätzlich keine Leistung des Beschenkten dar. Sie führt nur dazu, dass der Wert des zugewendeten Gegenstands von vornherein geringer anzusetzen ist."
Damit sind Nießbrauch und Wohnungsrecht gemeint.
Rz. 113
Falllösung Fallbeispiel 109 zum Wohnungsrecht:
Selbst wenn die Bewertung einer dinglichen Belastung als reale Gegenleistung für die Übertragung grundsätzlich möglich ist, so scheitert sie im Fallbeispiel daran, dass die Entgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart ist. Die Übertragung des Grundstücks geschah von vorneherein nur unter dem Vorbehalt des Wohnungsrechts und das wird...