Rz. 60

Grundsätzlich ist für die Frage, ob ein unentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt oder nicht, auf den Zeitpunkt der Zuwendung abzustellen.

(1) Vertraglich eingeräumtes Recht zur nachträglichen Leistungsänderungs- und -bestimmung?

 

Rz. 61

Wenn der Zuwendende seine Leistung zuerst erbracht hat und im Zeitpunkt des Vermögenstransfers noch keine rechtliche Abhängigkeit bzw. "Gegenleistung" des Zuwendungsempfängers vereinbart oder erbracht worden ist, stellt sich deshalb die Frage, ob man die Zuwendung nachträglich noch mit einem die Zuwendung ausgleichenden Rechtsgrund "unterfüttern" kann, der das Ganze entgeltlich macht. Das hat schon das RG beschäftigt ("rückwärts das Mandat in einen Dienst- oder Werkvertrag umwandeln").[161]

§ 315 BGB ermöglicht es, eine nachträgliche Bestimmung der Leistung vorzunehmen. Der BGH hat dazu im Zusammenhang mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen für die Zuwendung eines Grundstückes entschieden: "Rechtlich möglich ist es, dem Gläubiger in einem gegenseitigen[162] Vertrag vorzubehalten, die zunächst vereinbarte (Gegen-)Leistung durch eine andere zu ersetzen oder überhaupt erst eine solche festzulegen. Möglich ist es auch, ihm dabei zu überlassen, den Inhalt der anderen Leistung entsprechend §§ 315 Abs. 1, 316 BGB zu bestimmen."[163]

Damit ist nach BGH aber "nichts dazu gesagt, ob und inwieweit ein solcher Änderungsvertrag Rückwirkungen entfaltet."[164]

Damit kann eine schon vollzogene Schenkung nachträglich in ein vollentgeltliches Rechtsgeschäft umgewandelt werden.[165] Darin liegt eine Vertragsänderung, mit der die Beteiligten einen neuen Rechtsgrund für die Übertragung der Schenkung festlegen bzw. zulassen.[166] Das ist auf den Schenkungsbegriff des § 516 BGB übertragbar und damit eine Möglichkeit, sich bei entsprechendem Vorbehalt gegen einen Schenkungsrückforderungsanspruch zu verteidigen.

[161] RG v. 22.11.1909 – Az.: VI 437/08, RGZ 72, 188, 191; vgl. mit einer Vielzahl von Nachweisen Dietz, Anm. zu BGH v. 14.2.2007 – Az.: IV ZR 258/05, MittBayNot 2008, 227.
[162] Hier scheint "gegenseitiger Vertrag" nicht im Sinn eines Austauschvertrags, bei dem Leistung und Gegenleistung von Anfang an voneinander abhängen, gemeint zu sein.
[164] BGH v. 14.2.2007 – Az.: IV ZR 258/05, ZEV 2007, 326; vgl. Weber, ZEV 2017, 117, 118 ff.

(2) Einverständliche nachträgliche Umwidmung (§ 311 BGB)?

 

Rz. 62

Die Vertragsfreiheit schließt die Möglichkeit für die Vertragspartner ein, einen einmal geschlossenen Vertrag nachträglich durch einen neuen Vertrag - einen Änderungsvertrag - in seinem Inhalt zu ändern (vgl. § 311 BGB).[167] Dazu bedarf es keines Vorbehalts in der Ursprungseinigung. "Ist ein solcher Vorbehalt nicht vereinbart worden ist, bestehen aber im Hinblick auf die Vertragsfreiheit grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Vertragsänderung, durch die für eine bereits vollzogene Übertragung von Vermögensstücken ein anderer Rechtsgrund festgelegt wird." Damit ist freilich nichts dazu gesagt, ob und inwieweit ein solcher Änderungsvertrag Rückwirkungen entfaltet.[168]

Die nachträgliche Vereinbarung einer Gegenleistung und damit die – auf den Zeitpunkt der Zuwendung rückwirkende – Auswechslung des Rechtsgrundes wird so beim Pflichtteilsergänzungsanspruch als zulässig angesehen. Das ist auf die Schenkung i.S.v. § 516 BGB zu übertragen.

[167] Ausführlich Schindler, ZErb 2004, 46, 49.

(3) Grenzen von Abänderungsvereinbarungen und -vorbehalten

 

Rz. 63

Zum Teil wird diskutiert – befeuert durch Rechtsprechung zum Steuerrecht[169]  –, ob die Möglichkeit der nachträglichen Vereinbarung der Entgeltlichkeit und das Prinzip der subjektiven Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung Einschränkungen erfahren, wenn dieser nachträglichen Änderung Wirkungen im Verhältnis zu Dritten zukommt.[170] Das ist aber allenfalls eine "im Vordringen begriffene Auffassung."[171] In der Literatur wird vorsichtig unter Bezugnahme auf das SG Fulda darauf hingewiesen, dass solche zivilrechtlich hergeleiteten Ergebnisse möglicherweise nicht "sozialhilfefest" sind.[172] Das SG Fulda löst das Problem mittels § 138 BGB: "Jedenfalls darf die vertragliche Vereinbarung … über die nachträgliche Entgeltlichkeit nicht in Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung treten. Hier liegt jedoch auf der Hand – wie oben in anderem Zusammenhang dargelegt – dass diese Vereinbarung zuvörderst den Zweck verfolgte, den berechtigten Zugriff der Beklagten als Trägerin der Sozialhilfe auf den im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücksanteil zu vereiteln, so dass diese Vereinbarung über die nachträgliche Entgeltlichkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist."[173]

 

Rz. 64

Der BGH greift auf sein klassischen Begrenzungsmittel zurück. Da "...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?