Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 148
Neben der Bestimmung des Jahreswertes der vereinbarten Leistungen ist die Ermittlung des Kapitalisierungsfaktors zur Ermittlung des sachlichen Wertes der vereinbarten Leistungen besonders schwierig.
Die Bewertung einer Pflegeverpflichtung bereitet zusätzliche Schwierigkeiten, wenn – wie in Fallbeispiel 109 (siehe Rdn 108) – die vereinbarten Leistungen nicht bereits bei der Zuwendung erbracht werden, sondern der Bedarfsfall erst später eintritt.
Rz. 149
Für die Bewertung von Pflegeverpflichtungen als Abzugsfaktor bei §§ 2287, 2325 BGB soll es nach überwiegender Meinung nicht darauf ankommen, welche Pflegeleistungen tatsächlich erbracht wurden, sondern darauf, welchen Umfang der Pflege die Beteiligten prognostisch für möglicherweise erforderlich gehalten haben. Maßgebend für die Bewertung ist nach der Rechtsprechung des BGH "(…) nicht die spätere tatsächliche Entwicklung der Umstände, insbesondere eine eingetretene Pflegebedürftigkeit des Erblassers, sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Hier kann – ähnlich wie bei der Bewertung des Nießbrauchs – eine Berechnung anhand des Produktes von Vervielfältigungsfaktor … zu § 14 Bewertungsgesetz in Verbindung mit der jährlichen Pflegeleistung vorgenommen werden."
Für den Schenkungsrückforderungsanspruch dürfte das zu hinterfragen sein. Der Unterschied zur Bewertung bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen oder etwa bei § 2057a BGB besteht nämlich darin, dass nach der Vorstellung der Beteiligten der Tod die Vereinbarung tatsächlich beenden soll. Beim Schenkungsrückforderungsanspruch endet die Verpflichtung aber nicht durch Tod, sondern durch Heimaufnahme, wenngleich dies je nach Vereinbarung nicht zwingend ist. In der Regel haben die Beteiligten die Hoffnung, dass sie die Zehn-Jahresfrist für den Schenkungsrückforderungsanspruch noch folgenlos hinter sich bringen können. Das Risiko, dass das nicht klappt, haben sie aber klar vor Augen.
Rz. 150
Findet im rechtserheblichen Zehn-Jahreszeitraum kein Leistungsaustausch statt, ist die Bereicherung beim Zuwendungsempfänger ohne Einschränkung. Die Pflegeverpflichtung bleibt nur latent. Bestand der Versorgungs- und Pflegebedarf im Zeitpunkt der Vereinbarung noch gar nicht, so ist fraglich, ob man die in die Zukunft vereinbarten Leistungen – vergleichbar wie im Schenkungssteuerrecht – im Sinne einer aufschiebend bedingten Last gar nicht mitberücksichtigen darf oder allenfalls mit einem Wert, der sich am Risiko des Eintritts einer solchen Leistungsverpflichtung orientiert, also am Risiko des Eintritts der Heimpflegebedürftigkeit. Hierzu weisen die Statistiken – bezogen auf 2014 – aus, dass das Einzugsalter ins Heim von Männern bei 81,4 Jahren und bei Frauen bei 84,2 Jahren liegt. Wer erst mit 80 Jahren im nicht pflegbedürftigen Zustand zuwendet, hat bei Begrenzung der Pflegeverpflichtung auf den häuslichen Bereich in etwa eine Vorstellung davon, dass es hinsichtlich der Vermeidung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs zeitlich eng werden könnte.
Rz. 151
Bestand der Versorgungs- und Pflegebedarf zum Zeitpunkt der Vereinbarung dagegen schon, so ist nicht mehr mit dem Eintritt einer Pflegewahrscheinlichkeit zu rechnen, sondern es werden schon reale Leistungen erbracht, die der Zuwendende wegen der Zuwendung jetzt nicht mehr "einkaufen" muss. Als ein wertbeeinflussender Faktor ist dann aber zu berücksichtigen, dass bei bereits eingetretenem Pflegefall die Lebenserwartung des Zuwendenden deutlich niedriger ist. Die Verweildauer im Heim spielt beim Schenkungsrückforderungsanspruch keine Rolle.
Rz. 152
Falllösung Fallbeispiel 109: Pflegeverpflichtung
Die Kapitalisierung an sich erfolgt vergleichbar wie beim Wohnungs- und Nießbrauchsrecht. Allerdings ist auch hier darauf hinzuweisen, dass im Fallbeispiel 109 ausdrücklich keine lebenslange Verpflichtung im Raum stand, sondern dass eine Begrenzung nach dem Ausmaß der zu Hause möglichen Pflege vereinbart war.
Hier beginnt eine andere Unsicherheit in der Bewertung. Bei einer solchen Formulierung muss man wohl eine Auslegung dahingehend vornehmen, dass damit die mögliche "Laienpflege" gemeint sein sollte. So sehen es jedenfalls die Sachverständigen. Aber wo beginnt Laienpflege und wie lange ist Laienpflege möglich? Im Schenkungssteuerrecht hilft man sich zur Feststellung einer Pflegebedürftigkeit teilweise damit, dass bei einem über 80 Jahre alten Menschen von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen sei, ohne dass es hierzu eines Nachweises in Form eines ärztlichen Attestes oder einer vergleichbaren Bescheinigung bedarf. Abgeleitet wird das daraus, dass nach Vollendung des 80. Lebensjahres das generelle Pflegrisiko eklatant ansteigt.
Rz. 153
Und wie lange kann Laienpflege dauern? Bis zum Pflegegrad 2, 3 oder unbegrenzt? Die vorstehende Tabelle der Bundesagentur zur Zumutbarkeit von Vollzeiterwerbstätigkeit neben Pflege zeigt an, dass Laienpflege grundsätzlich in jedem Pflegegrad m...