Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 218
Es empfiehlt sich, bei den Übergabeverträgen den Fall des notwendigen Umzugs in ein Pflegeheim immer mit zu bedenken und zu regeln.
aa) Wegzugsklauseln
Rz. 219
Wegzugsklauseln ohne Entschädigungsregelung sind dem Grunde nach zulässig. Der BGH hat dazu entschieden, dass niemand verpflichtet ist, mehr für seine Altersversorgung zu tun, als seine Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten. Die Ausgestaltung bedarf aber in jedem Einzelfall der individuellen Prüfung und Ausrichtung. Insbesondere drittbetroffene, elternunterhaltspflichtige Kinder versuchen manchmal, sich gegen diese Klauseln mit dem Argument der Sittenwidrigkeit solcher Vereinbarungen zu wehren.
Rz. 220
Fallbeispiel 112: Die Mutter und das vereinbarte Erlöschen des Wohnungsrechts
Der Sozialhilfeträger machte aufgrund übergegangenen Rechts rückständige Ansprüche der Mutter gegen ihren sehr gut verdienenden Sohn S 1 auf Zahlung von Elternunterhalt geltend. Die Söhne S 2 und S 3 sind nicht elternunterhaltsleistungsfähig für die Heimkosten der Mutter, die sich seit Anfang 2013 in einem Seniorenheim befand.
S 1 wendete ein, die Mutter habe ein Erbbaurecht veräußert und dies stelle sich zum Teil als gemischte Schenkung dar. Die Mutter habe sich nicht nur ein Wohnungsrecht vorbehalten dürfen, sondern ein Nießbrauchsrecht. Die Wegzugs- und Erlöschensklausel für den Fall der Heimpflegebedürftigkeit sei sittenwidrig.
Rz. 221
Falllösung Fallbeispiel 112:
Das OLG Hamm hat die behauptete gemischte Schenkung nach dem Grundsatz der subjektiven Äquivalenz auf der subjektiven Tatbestandsebene des Schenkungsrückforderungsanspruchs verneint.
Die vereinbarten Wegzugsklauseln hat das OLG trotz der BGH-Entscheidung nicht ohne weiteres akzeptiert, sondern die Umstände der Vereinbarung umfassend beleuchtet und erst dann akzeptiert. Die Beteiligten hätten mehr als verständliche und zu billigende Gründe dafür gehabt, mit der Wegzugsklausel einen zusätzlichen Erlöschenstatbestand in Bezug auf das Wohnungsrecht zu schaffen. Von einer geplanten Abwälzung aufgrund absehbarer Pflegebedürftigkeit der Mutter könne keine Rede sein. Den Vertragsparteien habe die Vertragsgestaltung aufgrund der Vertragsfreiheit im Rahmen der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen auch freigestanden. Eine Verpflichtung, sich weitergehende oder "bessere" Rechte vorzubehalten, habe nicht bestanden.
Nach dieser Entscheidung muss wohl auch weiterhin damit gerechnet werden, dass Wegzugsklauseln von der Praxis nicht einfach "durchgewunken" werden, sondern im Einzelfall einer Rechtfertigungsprüfung standhalten müssen.
bb) Erlöschensklauseln
Rz. 222
Ersatzdiskussionen können auch durch eine Vereinbarung über das entschädigungslose Erlöschen des Wohnungsrechts und des Rückübertragungsanspruchs bei dauerhaftem Auszug des Berechtigten in ein Heim in Form einer auflösenden Bedingung vermieden werden. Auch das ist zulässig.
Notarielle Verträge enthalten gelegentlich eine einseitige Aufgabemöglichkeit des Berechtigten Zug um Zug gegen Gewährung eines ausdrücklich vorab bestimmten Wertersatzes. Werde die Aufgabe dann später nicht erklärt – so wird vertreten –, entstehe kein Ersatzanspruch, denn eine Obliegenheit zur Aufgabe und der damit verbundenen Erlangung der vertraglichen Entschädigungsforderung könne im Falle der Sozialhilfebedürftigkeit ebenso wenig bestehen wie bei der Entscheidung über die Annahme einer Erbschaft. Eine solche Klausel sei auch nicht sittenwidrig. Das Recht zur Aufgabe sei auch nicht überleitbar.
An einer solchen Lösung konnte man lange seine Zweifel aus sozialhilferechtlichen Gründen haben. Aber der BGH hat auch ein vereinbartes Ruhen der Rechte auf Kost und Pflege sowie auf Wohnungsnutzung im Falle von Heimpflegebedürftigkeit unbeanstandet gelassen. Solche allein dem Zuwendenden vorbehaltenen Entscheidungen bildeten keinen Anknüpfungspunkt für eine Sittenwidrigkeit.