Dr. Gudrun Doering-Striening
1. Kennzeichen des Leibgedinges/Altenteils
Rz. 188
"Vereinbarungen, in denen Eltern ihr Vermögen, insbesondere ihren Betrieb oder ihren privaten Grundbesitz, mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge auf einen oder mehrere Abkömmlinge übertragen und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlinge Ausgleichszahlungen ausbedingen, werden im Zivilrecht als Übergabeverträge bezeichnet. Solche Vereinbarungen sind als Hofübergabeverträge vor allem in der Landwirtschaft gebräuchlich. Die vom Übernehmer zugesagten Versorgungsleistungen werden hier als Altenteil oder Leibgedinge bezeichnet."
Statt des Begriffs "Leibgedinge" wird auch der Begriff des Leibzuchts-, Altenteils-, Auszugs- oder Ausgedingevertrages benutzt. Charakteristisch ist, dass die Nutzungen/Leistungen der langfristigen persönlichen Versorgung des Berechtigten dienen. Die klassische Ausgestaltung der Versorgungsleistungen besteht aus
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Ansprüchen auf Verpflegung |
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dem Wohnrecht |
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Ansprüchen auf monatliche Zahlungen. |
Das Leibgeding gehört zu den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten. Es ist an den Begünstigten gebunden und nicht übertragbar.
Praxishinweis
Die Berufung auf ein Altenteil/Leibgeding ist für den Übernehmer in Bedürftigkeitsfällen kontraproduktiv, weil damit von vorneherein impliziert ist, dass es dem Übergeber auf die Versorgung im Alter ankam. Hierzu der BGH:
"Wohnung, Beköstigung, häusliche Dienste, Pflege und Taschengeld (Leibrente) sind geschuldet. Das zeigt, dass die Antragstellerin nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verwiesen, sondern umfassend von der Familie versorgt werden sollte."
2. Art. 96 EGBGB und das Landesrecht
Rz. 189
Wenn es sich bei der Vereinbarung der Beteiligten tatsächlich um ein Leibgedinge handelt, dann kommt Art. 96 EGBGB zur Anwendung. Art. 96 EGBGB regelt, dass die landesgesetzlichen Vorschriften über einen mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag unberührt bleiben, soweit sie das sich aus dem Vertrag ergebende Schuldverhältnis für den Fall regeln, dass nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden.
Die Vereinbarung eines Leibgedinges/Altenteils mit obligatorischer Wirkung ist zulässig und Art. 96 EGBGB anwendbar.
Rz. 190
Die landesrechtlichen Regelungen haben lediglich vertragsergänzenden Charakter und sind dispositiv. Damit ist zunächst immer zu prüfen, ob es Individualregelungen der Beteiligten gibt und ob die Ansprüche, die sie begründen, vorrangig vor Sozialhilfeleistungen sind. Für den Fall der Bedürftigkeit des Altenteilers ist die Überleitung z.B. eines Leibrentenanspruchs ohne Weiteres möglich. Der Anspruchsübergang für künftige Ansprüche steht lediglich unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Sozialhilfebehörde tatsächlich Leistungen in entsprechender Höhe erbringt. Insoweit gibt es keine Fragen, falls der Wechsel von Zuhause ins Pflegeheim erfolgen muss und keine entsprechenden Beendigungsregelungen vertraglich vereinbart sind.
3. Ersatzansprüche aus Leibgedinge
Rz. 191
Der Vorrang der konkreten Vereinbarung gilt auch, wenn es um Ersatzregelungen geht. Wenn ein Bedürftiger Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen muss, weil die vereinbarten Verpflichtungen nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können, dann stellt sich immer die Frage, ob dem Altenteiler nicht in irgendeiner Form vertragliche oder gesetzliche Ersatzansprüche für den Ausfall der geschuldeten Leistungen zustehen, die er vorrangig in Anspruch nehmen muss oder die der Sozialhilfeträger auf sich überleiten kann. Solche Ersatzansprüche, die bei Leistungsstörungen eintreten und an die Stelle der Ursprungsverpflichtung treten, sind ebenfalls nach § 93 SGB XII überleitbar. Auch insoweit beginnt die Prüfung mit der Frage, ob Art. 96 EGBGB anwendbar ist und ob es sich bei der Vereinbarung der Beteiligten tatsächlich um ein Leibgedinge handelt. Für den Verpflichteten ist dies in der Regel nachteilig, weil es in einzelnen Bundesländern gesetzliche Vorschriften gibt, die beim Ausfall der Ursprungsleistung Ersatzverpflichtungen anordnen. So regelt z.B. das AGBGB Niedersachsen:
§ 10 Nds. AGBGB – Geldrente bei Aufgabe der Wohnung
(1) Verlässt der Gläubiger das Grundstück für dauernd, so hat ihm der Schuldner neben den vereinbarten Geldleistungen eine Geldrente zu zahlen, die nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Ursachen der Wohnungsaufgabe, der erhöhten Bedürfnisse und tatsächlichen Belastungen des Gläubigers sowie der Leistungsfähigkeit des Schuldners und des Wertes der Vorteile zu bestimmen ist, die er durch die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen erlangt.
(2) Der Schuldner hat dem Gläubi...