Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 39
§ 516 BGB definiert Schenkung als eine Zuwendung, durch die jemand einen anderen aus seinem Vermögen bereichert und beide Beteiligte darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, "die Vermögensmehrung des Beschenkten mithin nicht (vollständig) durch eine Gegenleistung an den Schenker ausgeglichen werden soll. Die gewollte Begünstigung ist insbesondere die Rechtfertigung dafür, … dem Schenker das Recht auf eine spätere Rückabwicklung wegen Verarmung (§ 528 BGB) … zuzubilligen."
Unter einer Zuwendung i.S.v. § 516 BGB ist die Verschaffung eines Vermögensvorteils zu verstehen. Deshalb ist das Erbringen von Arbeits- oder Dienstleistungen vom Zuwendungsbegriff nicht erfasst. Gegenstand einer Schenkung kann aber eine ersparte Vergütung sein, die für derartige Leistungen üblicherweise gewährt zu werden pflegt. Hat nämlich derjenige, der die Arbeit geleistet hat, einen Vergütungsanspruch erlangt, so kann die Vermögensverschiebung in dem Erlass der Vergütungsschuld gesehen werden. Eine Schenkung könnte es auch darstellen, wenn der Zuwendende seine Arbeitskraft oder die zur Nutzung überlassene Sache anderweitig gegen Ertrag hätte einsetzen können, auf diesen Nutzen aber zugunsten des Bedachten verzichtet hat.
Rz. 40
Zumeist geht es beim Schenkungsrückforderungsanspruch um den gegenteiligen Fall, dass der Zuwendungsempfänger seinerseits Arbeits- und Dienstleistungen erbringt oder schon erbracht hat und zu bewerten ist, ob diese Leistungen, dem Transfervorgang die Qualität als Schenkung nimmt.
Rz. 41
Fallbeispiel 105: Vorweggenommene Erbfolge und die Pflege des Vaters
Sohn S hat vor neun Jahren die Immobilie seines Vaters ohne weitere Vorbehalte "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" erhalten. Der Vater wohnt mit ihm und seiner Ehefrau zusammen in diesem Haus.
Sohn S und seine Ehefrau pflegen und versorgen den kurze Zeit später schwer erkrankten Vater V in diesem Haus, bis es nicht mehr von ihnen zu bewältigen ist. V muss in ein Heim aufgenommen werden. Das Sozialamt verweist V auf seinen Schenkungsrückforderungsanspruch. V weigert sich und S wendet ein, er habe erhebliche Gegenleistungen durch die Versorgung und Pflege des Vaters erbracht. Der Wert der Immobilie sei lange verbraucht.
1. Entreicherung
Rz. 42
Auf Seiten des Schenkers muss "eine Vermögensminderung ("rechtliche Entäußerung eines Vermögensvorteils") im Sinn einer Entreicherung eintreten, der auf Seiten des Beschenkten eine Vermögensvermehrung entspricht“. Ausgangspunkt jeder Schenkung i.S.v. § 516 BGB ist deshalb objektiv eine dauerhafte Entreicherung des Zuwendenden um den Zuwendungsgegenstand."
In einer bloß vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache liegt in der Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung, denn "die Sache verbleibt im Eigentum und mithin im Vermögen des Leistenden".
Rz. 43
Eine Minderung des Vermögens liegt auch nicht vor, wenn der Zuwendende verpflichtet ist, die Zuwendung vorzunehmen und er in der Erfüllung dieser Verpflichtung handelt. In einem solchen Fall wird er durch seine Zuwendung von einer bestehenden Verpflichtung frei, so dass er dadurch eine Minderung seines Vermögens im rechtlichen Sinne nicht erfährt.
Beispiel: Der Verzicht auf ein Wohnungsrecht führt grundsätzlich zur Entreicherung, weil der Berechtigte eine Rechtsposition aufgibt. Das ist nur ausnahmsweise anders, wenn das Recht niemanden mehr einen Vorteil bietet. Ausübungshindernisse reichen nicht aus.
2. Bereicherung
Rz. 44
Der Entreicherung auf Seiten des Zuwendenden entspricht die Bereicherung auf Seiten des Zuwendungsempfängers. Der Vermögensabfluss beim Erblasser muss zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Zuwendungsempfängers geführt haben. Das wird durch einen objektiven und an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Vergleich des Vermögens vor und nach der Zuwendung festgestellt und kann sowohl in einer Mehrung der Aktiva als auch in einer Verringerung der Passiva bestehen:
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Bestehende Belastungen, die den Vermögensgegenstand von Anfang an beschweren, bleiben unberücksichtigt, weil sie nur den Wert des Zuwendungsgegenstandes verringern. Sie werden in der Praxis häufig untechnisch als Gegenleistung bezeichnet, sind aber erst bei der Wertebestimmung zu diskutieren. |
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Wenn durch die Leistung lediglich eine Schuld erfüllt wird, verändert sich die Vermögenslage nicht. Eine Bereicherung ist deshalb zu verneinen. |
Rz. 45
Eindeutig und problemlos führen die Fälle zu einer Bereicherung, bei denen auf ...