I. Müssen Anlagen signiert werden?

 

Rz. 114

Der Gesetzgeber regelt in § 130a Abs. 3 S. 2 ZPO:

Zitat

Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

Somit müssen Anlagen weder qualifiziert elektronisch signiert noch einfach elektronisch signiert mit Eigenversand (siehe dazu § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 1 u. 2 ZPO) versehen werden. Der Gesetzgeber definiert allerdings nicht, was unter dem Begriff "Anlagen" zu verstehen ist. In der Praxis wird häufig grundsätzlich alles, was nicht Schriftsatz ist, dem Schriftsatz aber beigefügt wird, als "Anlage" bezeichnet. Hier ist jedoch zu unterscheiden.

 

Rz. 115

Wird z.B. eine offene Rechnungsforderung eingeklagt und werden die Rechnung nebst drei Mahnungen des Mandanten als Anlage K 1 bis Anlage K 4 zum Schriftsatz mit eingereicht, ist davon auszugehen, dass hier § 130a Abs. 3 S. 2 ZPO greift und z.B. die Anbringung einer Signatur des Anwalts nicht erforderlich ist.

 

Rz. 116

Für andere "Anlagen" ist dies anders zu sehen. Handelt es sich bei der "Anlage" um eine Erklärung des Mandanten (PKH-/VKH-Erklärung/eidesstattliche Versicherung/Vollmacht etc.) oder um eine materiell-rechtliche Erklärung (Kündigung, Widerruf, Anfechtung etc.) gegenüber Gegnern, ist zwingend eine gesonderte Betrachtung erforderlich. Auch stellt sich zudem die Frage, wann auf ein Original verzichtet werden kann (Papierform) und wann nicht. Die nachstehenden Rdn 117 ff. behandeln einige dieser in der Praxis aufgetretenen Fragen. Für Arbeitsrechtler empfehlen wir die weitergehende Lektüre eines umfangreichen Aufsatzes von Poguntke/von Villiez, der sehr lesenswert ist.[61] § 130a Abs. 3 S. 2 ZPO ist nicht dazu gedacht, prozessuale Nachweiserfordernisse abzumildern.[62]

[61] Poguntke/von Villiez, "Digitale Dokumente und elektronischer Rechtsverkehr im Arbeitsrecht", NZA 2019, 1097.
[62] Siehe dazu auch Anm. Toussaint zu AG Calw, Beschl. v. 5.7.2022 – 9 M 471/22, FD-ZVR 2022, 450710 = BeckRS 2022, 17091.

II. Eidesstattliche Versicherungen

 

Rz. 117

Bei eidesstattlichen Versicherungen ist nach diesseitiger praktischer Erfahrung die Übermittlung eines Scans wohl ausreichend, denn eine eidesstattliche Versicherung kann schriftlich, mündlich und damit auch per Fax abgegeben werden.[63] Schließlich ist auch eine mündlich abgegebene falsche eidesstattliche Versicherung strafbar.

 

Rz. 118

So wird es denn auch für ausreichend für die zivilprozessuale Anerkennung erachtet, wenn der Prozessbevollmächtigte eine Faxkopie weiterreicht.[64] Fordert das Gericht das Original nach, sollte es natürlich vorgelegt werden.

III. Vollmachten

1. Prozessvollmacht

 

Rz. 119

Wir unterscheiden z.B. eine Handlungsvollmacht nach BGB und eine Prozessvollmacht nach ZPO oder anderen Verfahrensordnungen (z.B. § 11 FamFG).

 

Rz. 120

Eine Prozessvollmacht ist grundsätzlich "schriftlich" zu den Akten zu reichen, § 80 ZPO. Schriftlich bedeutet: im Original unterschrieben, d.h. Papierform, sofern der Mandant die Vollmacht nicht qualifiziert elektronisch signiert hat (was u.E. zulässig wäre, siehe dazu §§ 126 Abs. 4 i.V.m. § 126a BGB und ein fehlender Ausschluss durch elektronische Ersetzung in § 80 ZPO). Es verfügt jedoch nur ein geringer Anteil der Mandanten bisher über die Möglichkeit der Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur. Das mag sich mit der fortschreitenden Digitalisierung ändern.

 

Rz. 121

Der BGH geht in seiner Entscheidung vom 29.9.2021 davon aus, dass die Vollmachtsurkunde grundsätzlich schriftlich vorzulegen ist und verweist insoweit auch auf § 126 BGB,[65] wobei der hier angesprochene Fall die fehlende Vorlage einer Originalvollmacht eines Inkassodienstleisters betraf. Zum 1.1.2021 hat sich die Rechtslage in diesem Bereich jedoch geändert. § 753a ZPO regelt, dass bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3 u. 4 ZPO ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern haben und es eines Nachweises einer Vollmacht in diesen Fällen nicht bedarf.[66] Die Entscheidung des AG Calw, das im Vollstreckungsverfahren bei Einreichung des ZV-Auftrags via beA die Vorlage einer Originalvollmacht forderte,[67] ist vor dem Hintergrund zu sehen (und zu verstehen), dass der Anwalt eine entsprechende Versicherung nicht abgegeben hatte. Übersehen hatte das Gericht hier jedoch nach Ansicht von Toussaint[68] § 88 Abs. 2 ZPO, der regelt, dass das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen (nur) zu berücksichtigen hat, wenn nicht als Bevollmächtigter – wie hier – ein Rechtsanwalt auftritt. Dabei betont der BGH in einer aktuellen Entscheidung die besondere Vertrauensstellung, welche Anwälte genießen, weshalb die Regelung in § 88 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt ist.[69] Nachdem der Gegner einen Mangel der Vollmacht nicht gerügt hatte, hätte es dem Gerichtsvollzieher u.E. jedenfalls nicht zugestanden, einen solchen zu rügen; denn es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Gerichtsvollzieher weitergehende Befugnisse als ein Gerich...

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