Rz. 76
Derjenige Miterbe, der für die anderen bei der Verwaltung tätig wird, kann für die entstehenden Aufwendungen einen Vorschuss (§ 669 BGB) oder nachträglich Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) verlangen. Dies gilt auch, wenn der Miterbe zunächst ohne den erforderlichen Beschluss gehandelt hat, die Miterben seinen Maßnahmen jedoch später zugestimmt haben – oder in den Fällen der Notgeschäftsführung. Wird die Zustimmung nicht erteilt, so kann der Handelnde nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen (§§ 683, 684 BGB).
Dazu der BGH:
Zitat
"… Zwar kann bei einem Gesamtschuldverhältnis der vom Gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner schon vor der eigenen Leistung verlangen, dass seine Mitschuldner ihren Anteilen entsprechend zur Befriedigung des Gläubigers mitwirken (RGZ 79, 288 [290]; Staudinger, 9. Aufl., § 426 A ll. b). Aber diese Beitragspflicht der Mitschuldner begründet nur einen Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden Betrages an den Gläubiger, nicht an den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner selbst. Zahlung an sich selber kann dieser vielmehr erst verlangen, wenn er seinerseits an den Gläubiger geleistet hat."
Rz. 77
Beispiel
Der Erblasser wurde zur Winterzeit wenige Tage vor seinem Tod ins Krankenhaus eingeliefert. In seinem bisher von ihm bewohnten Einfamilienhaus kommt es kurz darauf zu einer Stromstörung, in deren Folge die Zentralheizung ausfällt. Da strenger Frost herrscht, platzen Rohrleitungen und Heizkörper. Nach dem Tod des Erblassers bemerkt dies die Tochter T und beauftragt im eigenen Namen eine Heizungsfirma mit den erforderlichen Reparaturarbeiten. Erben des Erblassers sind die Tochter T und die beiden Söhne S1 und S2 zu je einem Drittel geworden. S1 und S2 waren im Zeitpunkt des Schadenseintritts im Winterurlaub im Ausland und für die Tochter T nicht erreichbar. Von dem Rechnungsbetrag der Heizungsbauerfirma in Höhe von 9.000 EUR will sie von ihren Brüdern 6.000 EUR wieder haben. Diese verweigern die Zahlung mit dem Hinweis, sie habe den Auftrag allein erteilt.
Rz. 78
Die Beauftragung des Heizungsinstallateurs war zweifellos eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB. Da sich beide Brüder im Ausland aufgehalten haben, war es auch eine Notverwaltungsmaßnahme i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB. Nach h.M. gewährt das Notverwaltungsrecht nicht nur ein Alleingeschäftsführungsrecht für jeden einzelnen Miterben, sondern auch ein Alleinvertretungsrecht. T hätte also nach außen auch für sich selbst und die beiden Brüder den Auftrag erteilen können.
Rz. 79
Da sie aber im eigenen Namen gehandelt hat, wurde sie gegenüber dem Auftragnehmer im Außenverhältnis allein verpflichtet. Und das bedeutet wiederum, dass aus dem Werkvertrag keine Nachlassverbindlichkeit entstanden ist. § 2058 BGB und ihm folgend § 426 BGB finden deshalb keine Anwendung. Auf der Grundlage von § 426 BGB kann sie deshalb keinen Ausgleich von ihren Brüdern verlangen.
Rz. 80
Aber im Innenverhältnis war sie zur entsprechenden Geschäftsführung befugt und kann deshalb gem. § 670 BGB Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, soweit diese sie nicht selbst treffen. Da alle drei Kinder zu je einem Drittel Erben des Erblassers geworden sind, hat T von den Aufwendungen 1/3 zu tragen und S1 und S2 ebenfalls jeweils ein Drittel, so dass jeder von ihnen 3.000 EUR an T erstatten muss.
Dazu der BGH:
Zitat
"… Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte sei nach § 2038 Abs. 1 BGB unter den gegebenen Umständen nur berechtigt gewesen, ohne Zustimmung der andern Miterben Aufträge zur Beseitigung solcher Schäden zu erteilen, die sich plötzlich an der einen oder anderen Stelle so ausgewirkt hätten, dass sie unmittelbar den Bestand des Gebäudes, seine Bewohnbarkeit oder seine Sicherheit gefährdet hätten. Diesen Ausführungen ist im Ergebnis beizutreten …"
Rz. 81
Als weitere Anspruchsgrundlage kommt § 748 BGB in Betracht, auf den § 2038 Abs. 2 BGB verweist.
Sowohl wegen des Ersatzanspruchs nach § 670 BGB als auch wegen desjenigen aus § 748 BGB haften S1 und S2 unbeschränkt, aber auf den Nachlass beschränkbar, weil es sich um Aufwendungen für den Nachlass handelt. Kommt es zum Prozess gegen S1 und S2, so haften diese der T als Gesamtschuldner und müssen ihre Haftungsbeschränkungsmöglichkeit durch einen Vorbehalt nach § 780 ZPO geltend machen (vgl. hierzu das Muster § 11 Rdn 217).
Rz. 82
Beispiel (Variante)
T hat bei der Auftragserteilung nicht im eigenen Namen gehandelt, sondern für sich und in Vertretung für S1 und S2.
Rz. 83
In diesem Falle wäre eine Nachlassverbindlichkeit nach außen entstanden. T konnte S1 und S2 mit dem Nachlass verpflichten. Die Vollmacht des § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB eröffnet diese Vertretungsmacht.