1. Einzelkaufmännisches Handelsgeschäft im Nachlass
Rz. 171
Hat der Erblasser als Einzelkaufmann ein Handelsgeschäft betrieben, so fällt es in den Nachlass. Nach § 22 Abs. 1 HGB können die Erben dieses Geschäft fortführen, ohne dass mit dessen Fortführung durch mehrere Erben notwendig ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss der Miterben verbunden wäre. Selbst eine Erbengemeinschaft, die nur aus Vorerben besteht, kann das Handelsgeschäft als Erbengemeinschaft fortführen, nicht aber eine Gemeinschaft, die nur aus Erbteilserwerbern besteht. Eine Sondererbfolge wie bei OHG und KG findet beim einzelkaufmännischen Handelsgeschäft nicht statt.
Dazu der BGH:
Zitat
"Mit der Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts durch mehrere Miterben ist nicht notwendig ein gesellschaftlicher Zusammenschluß der Miterben verbunden."
Rz. 172
Das zum Nachlass gehörende Handelsgeschäft kann von den Erben ohne zeitliche Begrenzung in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt werden (Fälle aus der BGH-Rechtsprechung: Fortführung 17 bzw. 6 Jahre).
Nach § 31 Abs. 1 HGB sind die Miterben in das Handelsregister einzutragen, und zwar in Erbengemeinschaft.
Im Schrifttum wird – im Gegensatz zur BGH-Rechtsprechung – teilweise die Meinung vertreten, die gemeinschaftliche Fortführung des Handelsgeschäfts über die dreimonatige Frist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus habe eine Zwangsumwandlung der Erbengemeinschaft in eine OHG in Bezug auf das Handelsgeschäft zur Folge. Aber das geltende Recht kennt einen solchen Umwandlungszwang aus einer Erbengemeinschaft in eine OHG nicht. Denn dafür wäre der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags erforderlich.
Rz. 173
Daraus folgt: Die Fortführung des Handelsgeschäfts ist Verwaltung i.S.v. § 2038 BGB und unterliegt deshalb denselben Regelungen wie die Verwaltung des sonstigen Nachlasses nach §§ 2038, 743 ff. BGB. Problematisch ist, dass jeder Miterbe nach § 27 HGB haftet, wenn er der Fortführung des Geschäfts ausdrücklich oder konkludent zustimmt. Will er dies vermeiden, so muss er die Erbschaft ausschlagen oder die Auseinandersetzung betreiben. Eine einseitige Haftungsbegrenzungserklärung für den Miterben, entsprechend § 25 Abs. 1 HGB, kommt nicht in Betracht, da er dafür einen Beschluss der Erbengemeinschaft benötigt. Aus rein faktischen Gründen sind die Miterben deshalb nicht selten gezwungen, das Unternehmen weiterzuführen. Damit haften sie für Alt- und Neuverbindlichkeiten.
Rz. 174
Im Innenverhältnis können auf die zwischen den Miterben bestehenden Rechtsbeziehungen die Grundsätze der OHG anwendbar sein, wenn das Unternehmen längere Zeit als werbende Gesellschaft fortgeführt wird.
Dazu der BGH:
Zitat
"… in dem hier zu entscheidenden Fall sind bezüglich derjenigen Gegenstände, die zu dem Vermögen des Unternehmens gehören, auf die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Rechtssätze jedenfalls entsprechend anzuwenden. Dadurch, dass die Parteien das ererbte Unternehmen mit dem Einsatz ihrer Arbeitskraft 17 Jahre als werbendes Unternehmen fortführten, haben sie die zwischen ihnen bestehende Erbengemeinschaft in Ansehung dieses Betriebes in ihrem Wesen umgestaltet. Die Erbengemeinschaft ist ihrem Wesen nach eine Abwicklungsgemeinschaft. Sie besteht in der Regel nur für eine gewisse Übergangszeit. Ihr natürliches Ziel ist es, sich aufzulösen. Sofern die Erben ihre ganze Arbeitskraft einem zum Nachlass gehörigen Handelsunternehmen widmen, um dieses fortzuführen und daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, nimmt ihr Verhältnis zueinander einen mehr gesellschaftsrechtlichen Charakter an. Diese Wesensänderung muss bei der Beurteilung der zwischen den Erben bestehenden Rechtsbeziehungen beachtet werden."
Rz. 175
Die Fragen der Vertretung bei Geschäftsfortführung sind wegen der gesamthänderischen Handlungsweise der Miterben unbefriedigend gelöst. Ein von den Miterben bestellter Vertreter kann immer nur die Miterben als solche, nicht aber die Erbengemeinschaft (mangels ihrer Rechtsfähigkeit) vertreten. Die von den Miterben erteilte Vollmacht stellt demnach keine einheitliche Bevollmächtigung der Erbengemeinschaft dar, sondern ist eine Mehrzahl von Einzelvollmachten. Deshalb muss eine Prokura auch von sämtlichen Miterben erteilt werden. Dies hat zur Folge, dass auch der Widerruf der Prokura von den Miterben gemeinsam erfolgt, denn nach § 48 HGB ist die Prokura vom "Inhaber des Handelsgeschäfts" zu erteilen, und das sind alle Erben.
Rz. 176
Der BGH führt aus (Widerruf der Prokura durch die Erben):
Zitat
… Die Vollmacht, die die Erben einem Miterben erteilen, ist also im Rechtssinn nicht eine einheitliche Vollmacht, sondern eine Vielzahl von Vollmachten. Dieser Beurteilung entspricht es, dass in einem Fall dieser Art der Widerruf der Vollmacht nicht eine Verwaltungshandlung im Sinne des § 2038 BGB ist, die nur von allen Erben gemeinschaftlich vorgenommen werden könnte, sondern dass der Widerruf eine Angelegenheit eines jeden einzelnen Miterben ist, den jeder jeweils mit Wirkung für ...