Rz. 38
Übersicht: Maßgebendes Verfahrensrecht
Analoge Anwendung von Vorschriften der ZPO.
I. Ermittlung der Tatsachen
Rz. 39
Das Nachlassgericht hat die Pflicht, den für die Auslegung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären,[102] § 26 FamFG. Es kann sich dabei sowohl des Freibeweises als auch der Beweismittel der ZPO bedienen, § 30 FamFG. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Nachlassgericht, alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Das bedeutet zwar nicht, dass allen Beweisanträgen der Beteiligten stattgegeben und allen denkbaren Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen nachgegangen werden müsste. Eine Aufklärungspflicht besteht aber insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des materiellen Rechts bei sorgfältiger Überlegung zu weiteren Ermittlungen Anlass geben. Das Gericht darf seine Ermittlungen erst abschließen, wenn von einer weiteren Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist.[103]
Auch nach dem FamFG entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt, § 30 Abs. 1 FamFG.
1. Amtsermittlungsprinzip
Rz. 40
Das Gericht hat in jedem Fall (sowohl bei Amts- als auch bei Antragsverfahren) den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, § 26 FamFG. Insoweit unterscheidet sich das FamG-Verfahren wesentlich vom Zivilprozess. Zu beachten ist aber, dass besondere Vorschriften das Amtsermittlungsprinzip einschränken können. So sind z.B. im Erbscheinsverfahren die §§ 352 ff. FamFG der Amtsermittlungspflicht vorgeschaltet, ohne diese zu verdrängen.[104] Kommt ein Beteiligter seinen Pflichten nach § 352 FamFG nicht nach, so beginnt die Amtsermittlungspflicht nicht zu laufen. Verweigert z.B. der Antragsteller im Erbscheinsverfahren ohne triftigen Grund die Abgabe der nach § 352 Abs. 3 FamFG erforderlichen eidesstattlichen Versicherung, so ist das Nachlassgericht berechtigt, den Erbscheinsantrag ohne weitere Ermittlungen als unzulässig zurückzuweisen.[105]
2. Reichweite der Amtsaufklärungspflicht
Rz. 41
Ob eine Tatsache weiter aufzuklären ist, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts; d.h. dass das Gericht nach Ausnahmetatbeständen nur "forschen muss", wenn gewisse nicht ganz entfernt liegende Anhaltspunkte gegeben sind.[106] Positiv ausgedrückt besteht für das Gericht nur die Pflicht, naheliegende Möglichkeiten zu untersuchen.[107]
Bezüglich des Umfangs der Ermittlungspflicht existiert eine umfangreiche Kasuistik:[108]
a) Ermittlungen hinsichtlich der Verfahrensvoraussetzungen
Rz. 42
Das Gericht muss stets von Amts wegen seine Zuständigkeit und das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Erbscheinsantrags prüfen.[109]
b) Tatsachen im Zusammenhang mit der gesetzlichen Erbfolge
aa) Staatsangehörigkeit des Erblassers
Rz. 43
Um das anwendbare materielle Erbrecht ermitteln zu können, muss vorab die Staatsangehörigkeit des Erblassers festgestellt werden, Art. 22 EU-ErbVO bzw. Art. 25 Abs. 1 EGBGB aF.[110] Gegebenenfalls ist sie durch Einholung von behördlichen Auskünften zu klären.[111]
Beachte
Für den Fall, dass der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht feststellbar ist, gilt der Erblasser bis zum Nachweis der Ausländereigenschaft als Deutscher.[112]
bb) Ausländisches Recht
Rz. 44
Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass nach den Regeln des Internationalen Privatrechts sich die Erbfolge nach ausländischem Erbrecht richtet und wird die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, § 105 FamFG, so hat das Nachlassgericht auch von Amts wegen den Inhalt des ausländischen Erbrechts zu ermitteln.[113]
Beachte
Für die Ermittlung des ausländischen Rechts besteht im FamFG-Verfahren anders als bei § 293 ZPO keine Beweislast für die Beteiligten.[114]
cc) Feststellung des Todeszeitpunktes
Rz. 45
Auch der genaue Todeszeitpunkt muss vom Nachlassgericht festgestellt werden. Die Ermittlungspflicht findet aber ihre Grenze, wenn der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist oder von weiteren Nachforschungen ein entscheidungserhebliches Ergebnis nicht mehr zu erwarten steht.[115]
dd) Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 46
Auch die Wirksamkeit einer erklärten Ausschlagung unterfällt der Prüfungspflicht des Nachlassgerichts. Insbesondere die Form und die Rechtzeiti...
Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen