1. Grundsätzliches
Rz. 157
Durch die Beschwerde wird eine neue Tatsacheninstanz eröffnet, §§ 68 Abs. 3, 26 FamFG.
2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens
Rz. 158
Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens wird auch im Erbscheinsverfahren durch den Beschwerdeantrag bestimmt. Er entspricht regelmäßig dem Verfahrensgegenstand der ersten Instanz. Wird das Beschwerdegericht mit einem neuen Antrag konfrontiert, bedarf es einer Abhilfeentscheidung des Nachlassgerichts. Das Oberlandesgericht ist nicht befugt, den Beschwerdegegenstand zu erweitern, einzuschränken oder auszuwechseln. Allein der Beschwerdeführer kann eine Beschränkung vornehmen. Dies setzt jedoch einen teilbaren Verfahrensgegenstand voraus. Ist die Beschränkung unzulässig, führt dies zu einer uneingeschränkten Überprüfung durch das Beschwerdegericht.
3. Tatsachenfeststellung
Rz. 159
Wie bereits dargetan, kann das Beschwerdegericht neue Tatsachen berücksichtigen und selbst Beweis erheben, §§ 68 Abs. 3, 26 ff. FamFG. Eine Zurückweisung von Vorbringen der Beteiligten kommt wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes, der auch im Beschwerdeverfahren gilt, nicht in Betracht. § 296 ZPO kann nicht analog angewendet werden. Das Beschwerdegericht darf auch Ermittlungen der ersten Instanz würdigen. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG bestimmt ausdrücklich, dass nach pflichtgemäßem Ermessen auch von der erneuten Durchführung eines Termins oder einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren abgesehen werden kann. So ist eine Wiederholung der Beweisaufnahme aber dann geboten, wenn das Beschwerdegericht von der Beurteilung des Nachlassgerichts von der Glaubwürdigkeit einer Aussage abweichen will.
4. Erledigung der Hauptsache
Rz. 160
Auch im Beschwerdeverfahren kommt eine Erledigung der Hauptsache in Betracht, wenn sich die Sach- und Rechtslage so geändert hat, dass der Verfahrensgegenstand weggefallen ist. Als erledigendes Ereignis kommt im Erbscheinsverfahren hauptsächlich die rechtskräftige Feststellung in einem Zivilprozess, dass der Antragsteller nicht Erbe ist, in Betracht. Hingegen stellt das Auffinden eines neuen Testaments kein erledigendes Ereignis dar, da es dieses Testament schon vor Einleitung des Erbscheinsverfahrens gegeben hat. Das Gericht muss von Amts wegen prüfen, ob Erledigung eingetreten ist. Wird die Erledigung bejaht, so führt dies zur Unzulässigkeit der Beschwerde, da das Rechtsschutzbedürfnis weggefallen ist. Einer Verwerfung der Beschwerde kann der Beschwerdeführer mit einer Beschränkung der Beschwerde auf die Kosten begegnen. Diese Beschränkung hat zur Folge, dass nach § 81 Abs. 1 FamFG ein Beschluss über die Kosten des gesamten Verfahrens ergeht.
Tenorierungsbeispiel Erledigung der Hauptsache
I. |
Gerichtskosten werden für beide Rechtszüge nicht erhoben. |
II. |
Der Beteiligte A (Beschwerdegegner) hat dem Beteiligten B (Beschwerdeführer) die diesem in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. |
5. Beschwerdeentscheidung
Rz. 161
Je nachdem, ob die Beschwerde unzulässig, unbegründet, begründet oder teilweise begründet ist, kommt es zu unterschiedlichen Tenorierungsmöglichkeiten des Beschwerdegerichts.
a) Unzulässige Beschwerde
Rz. 162
Die unzulässige Beschwerde wird verworfen.
Entsprechend lautet der Tenor:
"I. Die Beschwerde wird verworfen."
Über die Kosten muss nach § 84 FamFG befunden werden:
"II. Der Beschwerdeführer hat die dem Beteiligten zu … im Beschwerdeverfahren entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu erstatten."
Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus §§ 22 Abs. 1, Nr. 12220 KV GNotKG
Schließlich wird der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens festgesetzt.
"III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf … festgesetzt."
b) Unbegründete Beschwerde
Rz. 163
Ist die Beschwerde im Ergebnis unbegründet, wird sie zurückgewiesen. Für die Tenorierung gilt im Übrigen das zur unzulässigen Beschwerde Ausgeführte (siehe oben Rdn 161). Wird Beschwerde gegen einen Feststellungsbeschluss eingelegt, so kann das Beschwerdegericht zwar den Beschluss aufheben, es darf aber nicht einen oder mehrere Erbscheinsanträge endgültig zurückweisen, weil ihm dieser Verfahrensgegenstand noch nicht angefallen ist.
c) Zulässige und begründete Beschwerde
Rz. 164
Die zulässige und begründete Beschwerde führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung. § 69 Abs. 1 FamFG bestimmt Voraussetzungen und Folgen einer Zurückverweisung an das Gericht der ersten Instanz. Diese kommt nur in Betracht, wenn das Verfahren des Nachlassgerichts an schwerwiegenden Mängeln, z.B. unzureichender Sachaufklärung gelitten hat und die Sachentscheidung des Beschwerdegerichts praktisch dem Verlust einer Instanz gleichkäme. Ergeht eine eigene Sachentscheidung durch das Oberlandesgericht, so...