I. Eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen
Rz. 16
Begeht der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen (zur Einordnung siehe Rdn 13), muss ihm die Fahrerlaubnisbehörde, ohne dass ihr ein Ermessen zustünde, auferlegen, innerhalb einer bestimmten Frist an einem Aufbauseminar teilzunehmen.
Für die Teilnahme bekommt er, wie das auch nach der früheren Rechtslage bereits der Fall war (Bay. VGH zfs 2005, 417), keinen Punktebonus.
Kommt der Betroffene der Auflage nicht fristgerecht nach, wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen - auch dann, wenn er das Seminar nach Ablauf der Frist doch noch absolviert (OVG Koblenz NZV 2006, 612).
Rz. 17
Achtung: Wirtschaftliche Verhältnisse
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung kommt es (wie auch bei der Anordnung einer MPU) auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nicht an; der Inhaber einer Fahrerlaubnis muss Geld für die Bezahlung einer ihm auferlegten Maßnahme haben (VG des Saarlandes zfs 1998, 487).
II. Erneuter Verstoß nach Teilnahme an einem Aufbauseminar
Rz. 18
Begeht der Betroffene nach Teilnahme an dem Aufbauseminar eine weitere schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen, wird er schriftlich verwarnt und es wird ihm nahegelegt, innerhalb von 2 Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung gem. § 2a Abs. 7 StVG teilzunehmen. Solche Seminare werden von hierfür besonders ausgebildeten Psychologen durchgeführt und sind mit über 500 EUR relativ teuer. Da mit der Teilnahme keinerlei rechtliche Vorteile, wie etwa ein Punkterabatt verbunden sind und auch die Nichtteilnahme keine Nachteile hat, wird kaum ein Inhaber eines Probeführerscheins eine solche Beratung in Anspruch nehmen wollen.
Rz. 19
Achtung: Keine aufschiebende Wirkung
Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 2a Abs. 6 StVG). Aufschiebende Wirkung kann deshalb allenfalls mit einem Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden.
III. Weiterer Verstoß nach Ablauf der nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG gesetzten 2-Monats-Frist
Rz. 20
Begeht der Betroffene nach Ablauf der ihm zur Inanspruchnahme einer psychologischen Beratung gesetzten 2-Monats-Frist erneut einen schweren oder zwei weniger schwerwiegende Verstöße, muss ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entziehen. Mit dem Entzug erlischt die Fahrerlaubnis insgesamt und zwar nicht nur für die Klasse, mit der eine Verkehrszuwiderhandlung begangen worden war (BVerwG zfs 1994, 429).
IV. Bindung der Behörde an die Eintragung
Rz. 21
Der Gesetzgeber hat jetzt in § 2a Abs. 2 StVG die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit bestimmt, wie dies früher schon die Rechtsprechung (VGH Mannheim DAR 2012, 41) angenommen hatte. Deshalb kann der Betroffene in solchen Fällen auch nicht etwa mit dem Einwand gehört werden, er sei gar nicht der Täter gewesen (OVG Hamburg DAR 2000, 227; OVG Hamburg zfs 2007, 233).
Rz. 22
Grundsätzlich ermöglicht § 13 Nr. 2b FeV im Wiederholungsfall, also auch bei zwei Alkoholordnungswidrigkeiten gem. § 24a Abs. 1 StVG, die Anordnung einer MPU, da der Gesetzgeber den Verstoß gegen § 24c StVG jedoch nicht in § 13 FeV aufgenommen hat, ist auch im Falle eines wiederholten Verstoßes gegen das Alkoholverbot für Fahranfänger nach § 24c StVG die Anordnung einer MPU unzulässig.
V. Achtung: Tattagprinzip
Rz. 23
Auch hier gelten für die Verwertbarkeit von Voreintragungen die zuvor für das FAER (vgl. § 11 Rdn 55 ff.) dargestellten Grundsätze.
Das gilt insbesondere für das Tattagprinzip (siehe § 11 Rdn 68), das die Rechtsprechung früher bereits (OVG Lüneburg DAR 1993, 308) auf den Probeführerschein für anwendbar erklärt hatte und das der Gesetzgeber in § 2a Abs. 2 S. 1 StVG ausdrücklich für anwendbar erklärt. Deshalb hat er in § 29 Abs. 6 S. 3 StVG für zulässig erklärt, dass der Fahrerlaubnisbehörde auch in der Überliegefrist befindliche Eintragungen bekannt gegeben werden.
Damit können Maßnahmen gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe wegen während der laufenden Probezeit begangener Verstöße auch noch nach Ablauf der Tilgungsfristen ergriffen werden.
Nach der am 5.12.2014 erfolgten Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (siehe § 11 Rdn 72) ist dies jetzt jedoch nur dann noch möglich, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde die Überliegefrist noch nicht abgelaufen war.
VI. Rechtsschutz
Rz. 24
Im Gegensatz zur Anordnung der MPU handelt es sich bei der Anordnung eines Aufbauseminars oder dem Entzug der Fahrerlaubnis um Verwaltungsakte (BVerwG zfs 1994, 429). Widerspruch und Anfechtungsklage haben jedoch keine aufschiebende Wirkung (§ 2a Abs. 6 StVG), so dass eine aufschiebende Wirkung allenfalls mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden könnte.
VII. Wiedererteilung der Fahrerlaubnis: Aufbauseminar und Frist
Rz. 25
Die Wiedererteilung einer entzogenen Fahrerlaubnis auf Probe setzt grundsätzlich den Besuch eines Aufbauseminars voraus. Für die Wiedererteilung einer wegen Verweigerung eines Aufbauseminars entzogenen Fahrerlaubnis ist keine Mindestfrist vorgeschrieben. War die Fahrerlaubnis dagegen wegen eines nach der schriftlichen Verwarnung gem. § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG begangenen erneuten Verstoßes entzogen worden, ist die Wiedererteilung frühestens drei Mo...