Rz. 50
Die Aufzählung in Art. 46 Abs. 3 DSGVO ist nicht abschließend (Wortlaut: "insbesondere"). Daher sind auch weitere genehmigungsbedürftige Garantieinstrumente zur Legitimierung von grenzüberschreitendem Datenverkehr denkbar.
Als sonstiges Garantieinstrument i.S.v. Art. 46 Abs. 3 DSGVO kommt insbesondere die Betriebsvereinbarung (bzw. die Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung) in Betracht. Dafür spricht einerseits, dass sie für betriebsangehörige (bzw. unternehmens- oder konzernangehörige) Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend gilt, § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG (i.V.m. §§ 51 Abs. 5, 59 Abs. 1 BetrVG) – also den betroffenen Personen selbst und ohne Umweg durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe i.S.v. Art. 46 Abs. 1 DSGVO einzuräumen vermag. Zudem geht Art. 88 Abs. 1 DSGVO (im allgemeinen Datenverarbeitungskontext) gerade davon aus, dass auch mit Kollektivvereinbarungen (also auch Betriebsvereinbarungen) ein angemessenes Datenschutzniveau hergestellt werden kann.
Für die Genehmigung als Garantieinstrument i.S.v. Art. 46 Abs. 3 DSGVO dürfte es im Einzelfall maßgeblich darauf ankommen, ob die konkrete Betriebsvereinbarung im vorgesehenen Drittland ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleisten kann und ob den Beschäftigten hierbei durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe i.S.v. Art. 46 Abs. 1 DSGVO zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Schrems II-Urteils des EuGH, vgl. Rdn 55 ff. Dies prüft die nationale Aufsichtsbehörde im Kohärenzverfahren, Art. 46 Abs. 4 DSGVO.
Rz. 51
Soweit überhaupt mit Art. 46 Abs. 3 DSGVO vereinbar, ließe sich die Eignung einer Betriebsvereinbarung als Übermittlungsgrundlage wie folgt bewerten:
Rz. 52
Denkbare Vorteile:
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Individuelle Gestaltbarkeit für die konkreten Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernbedürfnisse. |
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Hohe Rechtssicherheit im laufenden Betrieb bezüglich der Übermittlung von Arbeitnehmerdaten. |
Rz. 53
Denkbare Nachteile:
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Abhängigkeit von Mitbestimmungsbereitschaft und -kompetenz eines bestehenden (Gesamt-/Konzern-) Betriebsrats. |
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Aufwändige Koordination: Der Arbeitnehmer muss die zu regelnden Einzelheiten einerseits mit dem Betriebsrat sowie andererseits mit der nationalen Aufsichtsbehörde abstimmen. |
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Sehr aufwändiger Genehmigungsprozess, da das Kohärenzverfahren zu beachten ist, Art. 46 Abs. 4 DSGVO. |
Rz. 54
Praxistipp
Betriebsvereinbarungen kommen derzeit als denkbare Grundlage für die Übermittlung von Arbeitnehmerdaten in internationalen Unternehmens- und Konzernstrukturen in Betracht. Aufgrund der bisher offenen Rechtslage bleibt insbesondere abzuwarten, wie nationale Aufsichtsbehörden im Genehmigungsverfahren nach Art. 46 Abs. 3 DSGVO etwaige Betriebsvereinbarungen und ähnliche Gestaltungsformen handhaben werden. Da es keine gefestigte Rechtsprechung des EuGH gibt, ist die Belastbarkeit solcher Betriebsvereinbarungen besonders seit der Schrems II-Entscheidung des EuGH unklar; es verblieben ernstzunehmende Restrisiken.