Rz. 134

Aus der gesetzgeberischen Zielsetzung der Inobhutnahme – des unmittelbaren Handelns in Eil- und Notfällen – folgt, dass die Inobhutnahme unverzüglich zu beenden ist, wenn die Voraussetzungen für den Eingriff nach § 42 SGB VIII nicht mehr vorliegen. Jeweils am Einzelfall orientiert muss fortlaufend bis zur familiengerichtlichen Entscheidung geprüft werden, ob die Inobhutnahme noch geeignet, erforderlich und angemessen ist.[462] Unerheblich für diese Prüfung ist ein etwaig geäußerter Wunsch des Jugendlichen zum Verlassen einer Schutzeinrichtung. Dem Jugendamt obliegt die Prüfung, ob beim Verlassen der Schutzstelle noch eine Gefahr droht. Soweit dies nicht der Fall ist, muss die Inobhutnahme beendet werden.[463]

 

Rz. 135

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 42 Abs. 4 SGB VIII endet die Inobhutnahme entweder

mit der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an den Personen- bzw. Erziehungsberechtigten[464] oder
mit der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem SGB, wobei eine tatsächliche Überleitung in eine andere Hilfe nach dem SGB VIII erfolgen muss.[465]
 

Rz. 136

Die erste Beendigungsmöglichkeit kommt danach zur Anwendung, wenn aufgrund fachgerechter Prüfung des Jugendamtes bei Rückkehr des Jugendlichen entweder in den Haushalt des Personensorgeberechtigten selbst oder einer von ihm gewählten sonstigen Unterbringung eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Die zweite Beendigungsmöglichkeit knüpft demgegenüber an eine Hilfegewährung nach den Sozialgesetzbüchern an, also nicht nur an eine solche nach dem SGB VIII. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Ende der Inobhutnahme ist dabei allerdings die Entscheidung über die Hilfegewährung, d.h. ggf. auch über die familiengerichtliche Entscheidung zeitlich hinausgehend, um so Unterbrechungen in der sozialpädagogischen Hilfestellung zu vermeiden.

 

Rz. 137

Neben diesen gesetzlich geregelten Fällen endet eine Inobhutnahme faktisch, wenn sich das Kind oder der Jugendliche – trotz ausreichender Sicherungsmaßnahmen des Jugendamtes – aus einer Schutzeinrichtung entfernt.[466] Gleiches gilt, wenn das Kind von jemandem rechtswidrig dauerhaft ins Ausland verbracht wird, weil es sich dann rein tatsächlich und nicht nur vorübergehend nicht mehr in der Obhut des Jugendamts befindet.[467]

 

Rz. 138

Die Beendigung der Inobhutnahme setzt keine ausdrückliche Entscheidung des Jugendamts voraus.[468] Das Jugendamt ist bei Beendigung der Inobhutnahme auch nicht verpflichtet, den Minderjährigen an den Wohnort des Sorgeberechtigten zu begleiten. Lediglich soweit dieser im Einzelfall aus vertretbaren Gründen an einer Abholung gehindert ist, besteht die Verpflichtung zum Angebot einer Begleitung.

[462] Trenczek, in Münder/Wiesner/Meysen, Handbuch KJHR, Kap. 3.9 Rn 27.
[463] VG Würzburg JAmt 2004, 597.
[464] VG Schwerin FamRZ 2015, 2200.
[465] VG Freiburg JAmt 2012, 667; VG Augsburg, Beschl. v. 13.4.2015 – Au 3 E 15.251, juris.
[466] Wiesner, HK SGB VIII, § 42 Rn 54.
[467] VG Augsburg, Beschl. v. 13.4.2015 – Au 3 E 15.251, juris.
[468] BayVGH, Beschl. v. 19.8.2010 – 12 ZB 10.1521, juris.

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