Rz. 94

Die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung richtet sich an Jugendliche (§ 7 Abs. 1 SGB VIII), die als besonders gefährdet[267] und, mit Blick auf ihre Vita, als überdurchschnittlich belastet bewertet werden müssen. Angesprochen werden sollen Jugendliche, die in ihrer Entwicklung Gewalt oder Beziehungstraumata erfahren haben und mit den sonstigen Formen der Hilfe zur Erziehung nicht mehr erreicht werden können, etwa auch, weil sie über keinen festen Wohnsitz mehr verfügen. Die intensive Einzelbetreuung soll eine Alternative zu freiheitsentziehenden Maßnahmen oder einer psychiatrischen Unterbringung sein.[268] Da nach § 35 S. 2 SGB VIII die Einzelfallbetreuung auf einen längeren Zeitraum angelegt ist, kann sie für akute Notlagen keine Anwendung finden und wird durch eine etwaige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII verdrängt.

 

Rz. 95

Auf den Einzelfall bezogen ist eingehend zu prüfen, ob die Einzelfallbetreuung als geeignete und notwendige Maßnahme in Betracht kommt. Kann dies bejaht werden, so folgt hieraus ein Rechtsanspruch des Personensorgeberechtigten[269] auf die Bereitstellung der Leistung, deren detaillierte Ausgestaltung dann jedoch im Verlauf der Maßnahme immer wieder anzupassen ist.[270]

 

Rz. 96

Die intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung zielt auf die soziale Integration des Jugendlichen sowie seiner Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung. Die soziale Integration richtet sich dabei auf die Eingliederung in ein gesellschaftsadäquates System persönlicher Bindungen, wobei vorrangig an die Familie, Freunde, etwaige Mitschüler oder Arbeitskollegen gedacht ist. Im Zusammenhang mit der eigenverantwortlichen Lebensführung sollen ihm altersentsprechende Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, um die eigene physische und psychische Basis zu sichern.[271] Dem Jugendlichen wird dazu ein Pädagoge zugeordnet, der für ihn jederzeit erreichbar sein und als Ansprechpartner dienen muss. Da die Einzelbetreuung in der Regel außerhalb der Familie erfolgt,[272] richten sich die Entscheidungsbefugnisse der Fachkraft gegenüber dem Jugendlichen nach § 1688 BGB. Dem fallzuständigen Pädagogen obliegt eine intensive Hilfestellung bezüglich aller Lebensfragen des Jugendlichen. Sie richtet sich sowohl auf persönliche Probleme als auch auf die Unterstützung in beruflichen, schulischen oder finanziellen Angelegenheiten.[273] Bestandteil einer intensiven Einzelfallbetreuung können auch Angebote der Erlebnispädagogik sein. Werden diese im Ausland erbracht, so sind allerdings die Vorgaben nach § 27 Abs. 2 S. 3 SGB VIII sowie § 36 Abs. 3 SGB VIII zu beachten.[274]

 

Rz. 97

Dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe obliegt es, eine sozialpädagogische Einzelbetreuung zu gewährleisten, zu deren Kosten allerdings der Jugendliche bzw. dessen Eltern nach den §§ 91 ff. SGB VIII herangezogen werden können.

[267] BT-Drucks 11/5948, S. 72.
[268] BT-Drucks 11/5948, S. 72.
[269] Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, § 35 Rn 5.
[270] Wiesner, SGB VIII, § 35 Rn 16.
[271] Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, § 35 Rn 11.
[272] BT-Drucks 11/5948, S. 72.
[273] BT-Drucks 11/5948, S. 72.
[274] Siehe dazu Eschelbach/Rölke, Vollzeitpflege im Ausland – Aufgaben der deutschen Jugendämter, JAmt 2014, 494.

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