A. Verzicht des Minderjährigen auf sein gesetzliches Erbrecht

 

Rz. 358

Ist der Minderjährige geschäftsunfähig, so kann nur sein gesetzlicher Vertreter den Erbverzichtsvertrag abschließen (§ 105 BGB). Der Vertrag bedarf der Genehmigung des Familiengerichts (§ 2347 Abs. 1 S. 1 BGB).

Der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige kann auf sein gesetzliches Erbrecht durch seinen gesetzlichen Vertreter verzichten oder mit dessen Zustimmung auch persönlich handeln (§§ 107, 108 BGB). Der Vertrag bedarf der Genehmigung des Familiengerichts (§ 2347 Abs. 1 S. 1 BGB).

Vor dem 22.7.2017 bedurfte der Verzichtsvertrag der familiengerichtlichen Genehmigung nicht, wenn der Minderjährige durch seine Eltern vertreten war und die Vertragschließenden Ehegatten oder Verlobte waren (§ 2347 Abs. 1 BGB a.F.). Die Gesetzesänderung beruht auf dem Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen.[1] Vor dem 22.7.2017 von minderjährigen Ehegatten oder Verlobten geschlossene Verträge behalten ihre Gültigkeit.

 

Rz. 359

Bei Verträgen zwischen dem verzichtenden Minderjährigen und seinen Eltern oder Großeltern sind §§ 1795, 181 BGB zu beachten. Beispiel: Der Minderjährige will durch den Vertrag sein gesetzliches Erbrecht, z.B. nach seinem väterlichen Großvater, beseitigen. Die Eltern dürfen ihr Kind bei einem Rechtsgeschäft mit ihren Verwandten in gerader Linie nicht vertreten (§§ 1629, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB), denn der Großvater ist mit dem Vater des verzichtenden minderjährigen Kind in gerader Linie verwandt. Das wirkt sich auch dahin aus, dass der andere Elternteil, die Mutter, ihr Kind nicht (allein) vertreten kann. Für den Minderjährigen muss ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) bestellt werden, der den Vertrag mit dem Großvater schließt.

[1] Gesetz zur Bekämpfung der Kinderehen vom 17.7.2017, BGBl I, S. 2429.

B. Verpflichtung des Minderjährigen zur Leistung des Erbverzichts

 

Rz. 360

Dem Erbverzichtsvertrag liegt nach heutiger Auffassung regelmäßig ein Verpflichtungsvertrag zugrunde. Sehr häufig ist es ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil zur Leistung des Erbverzichts, der andere Teil zur Leistung einer Abfindung für den Verzicht auf das Erbrecht verpflichtet.

Oftmals wird freilich gar kein besonderer Verpflichtungsvertrag abgeschlossen, man beurkundet den Verzicht und die Gegenleistung. Dann deckt die familiengerichtliche Genehmigung den mehr oder minder mit-beurkundeten Verpflichtungs-Vertrag ab.

 

Beispiel

Der Minderjährige M hat einen kinderlosen Onkel O, der seinen sehr umfangreichen Nachlass gern seinem anderen Neffen N zukommen lassen will. O will den M nicht mit einem enterbenden Testament vor den Kopf stoßen und schließt gegen eine nicht geringe Abfindung einen Erbverzichtsvertrag mit M.

Geht der geschäftsunfähige Minderjährige, im Beispiel M, vertreten durch seine Eltern, zunächst nur die Verpflichtung ein, auf sein Erbrecht zu verzichten, so muss er durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (§ 105 BGB). Der spätere Erbverzichtsvertrag, also das abstrakte Rechtsgeschäft, durch den dann auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet wird, bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung (§ 2347 Abs. 1 S. 1 BGB).

Diese Genehmigungspflicht für das abstrakte Rechtsgeschäft wird in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift (§ 2347 Abs. 1 S. 1 BGB) auf den Verpflichtungsvertrag erstreckt,[2] weil anderenfalls die Möglichkeit bestünde, auf einen Verzicht zu klagen, der nicht im Interesse des Minderjährigen geprüft wurde. Eine andere Ansicht lehnt eine entsprechende Anwendung hier ab, weil der Fall direkt durch das Gesetz geregelt sei: Der Verpflichtungsvertrag bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung nach §§ 1643, 1822 Nr. 1 BGB.[3] Der Vertrag sei ein Rechtsgeschäft, durch das der Minderjährige sich zur Verfügung "über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet."

So ist auch der Vertrag, durch den sich der Minderjährige zur Leistung des Erbverzichts verpflichtet, wie der Erbverzichtsvertrag selbst gemäß § 2348 BGB notariell zu beurkunden.

[2] Staudinger/Schotten, BGB, 2016, § 2347 Rn 4; a.A. MüKo/Wegerhoff, BGB, 7. Aufl., § 2347 Rn 5.
[3] Staudinger/Veit, BGB, 2014, § 1822 Rn 9; MüKo/Kroll-Ludwigs, BGB, 7. Aufl., § 1822 Rn 6.

C. Der Minderjährige verzichtet auf eine Zuwendung aufgrund Verfügung von Todes wegen

 

Rz. 361

 

Beispiel

Onkel und Tante haben miteinander einen Erbvertrag geschlossen (Rdn 21 ff.), wonach der Onkel seinen beschränkt geschäftsfähigen Neffen N zum Alleinerben bestimmt. Nun haben sich die Verhältnisse sehr stark verändert; der Neffe soll den Onkel nicht beerben. Aber der Erbvertrag kann nicht mehr aufgehoben werden (§ 2290 Abs. 1 BGB), weil die Tante verstorben ist. O schließt mit N einen Zuwendungsverzichtsvertrag.

Nach § 2352 BGB muss auch in solchem Fall des Verzichts auf das Erbrecht, das auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, wegen der Verweisung des § 2352 BGB auf § 2347 BGB auf die Genehmigung des Familiengerichts eingeholt werden.

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