Rz. 60

Diese Bedenken – mit Ausnahme des Steuerrechts – führten zur Entwicklung des sog. neuen Jastrows, bei dem erst mit dem Tod des Längerlebenden die Vermächtnisse zugunsten der loyalen Kinder anfallen sollen.[94]

 

Rz. 61

Unerwünschte weitere Nebenwirkungen bleiben dennoch:

Zwingend ist mit der Anordnung des "Jastrow" ein Verlust der Vorteile der "Einheitslösung" verbunden:[95] Zur Berechnung des Vermächtnisses spätestens im zweiten Erbfall bedarf es einer entsprechenden Aufstellung und Unterscheidbarkeit von Eigenvermögen und Ererbtem. Diese praktischen Probleme dürfen nicht unterschätzt werden.[96] Werden die Vermächtnisse nach dem hier gemachten Vorschlag nicht auf den "Überrest" im zweiten Erbfall begrenzt, kann der Längerlebende "de facto" über den ererbten Nachlass nicht verfügen, will er nicht Schadensersatzansprüche oder gar einstweilige Sicherungsmaßnahmen der Vermächtnisnehmer riskieren.[97]
Bei Kindern aus verschiedenen Ehen kann der "Jastrow" zur Falle werden: Die hier oftmals für den Schlusserbfall gewollte Gleichstellung klappt dann nicht, wenn der Pflichtteil der einseitigen Kinder des einen Ehegatten größer ist als die ihnen zugedachte Schlusserbquote.[98] Wollen die einseitigen Kinder des erstversterbenden Ehegatten dies verhindern, werden sie leicht dazu verleitet, bereits nach dem ersten Todesfall ihren Pflichtteil geltend zu machen. Dann aber werden sie durch den "Jastrow", wie aber auch durch eine einfache Pflichtteilsklausel, auch für den zweiten Erbfall enterbt, und die Ungleichbehandlung wird noch verstärkt.[99]
Gefahren drohen auch, wenn nach Eintritt des Erbfalls der Pflichtteilsanspruch an andere Personen vererbt wird, die diesen dann geltend machen. Dies kann beim Berliner Testament dazu führen, dass durch das Pflichtteilsverlangen des Dritten die Ersatzerbenberufung von Abkömmlingen des Verstorbenen entfällt und damit diese durch das Verhalten eines Dritten selbst gegen ihren Willen ihre Schlusserbenstellung verlieren.[100]
[94] Muster etwa bei Nieder/Otto, in: Münchener Vertragshandbuch, VI/2, Form. XVI 28 unter § 5 im Anschluss an Strobel, MDR 1980, 343, 364. Zu Recht kritisiert Buchholz (FamRZ 1985, 874), dass dies sprachlich einem juristischen Laien nicht mehr vermittelbar ist.
[95] Siehe v. Olshausen, DNotZ 1979, 707, 718; Nieder/Kössinger, Testamentsgestaltung, § 14 Rn 80.
[96] Dazu bereits Mersmann, ArchBürgR 37, 271, 291.
[97] Aber auch wer den Weg über den "Überrest" geht, hat Probleme, da sich die Verfügung über die verschiedenen Vermögensgruppen unterschiedlich auswirkt: zu Lasten der Vermächtnisnehmer oder des illoyalen Kindes, vgl. v. Olshausen, DNotZ 1979, 707, 718 bei Fn 43.
[98] Wenn etwa drei Kinder je zu gleichen Teilen erben sollen, der längerlebende Ehegatte aber nur ein eigenes Kind hinterlässt: Dessen Pflichtteil beträgt dann ja bereits 50 % und wird über den Pflichtteilsrestanspruch realisiert, vgl. OLG Stuttgart DNotZ 1979, 104.
[99] Auch die von v. Olshausen (DNotZ 1979, 707, 714 ff.) vorgeschlagene unbedingte Vermächtnisanordnung für die Kinder des Erstverstorbenen nach dessen Tod kann die völlige Gleichstellung nicht garantieren, vgl. J. Mayer, ZEV 1995, 138; ders., MittBayNot 1999, 265, 268. Seubert, Die Jastrowsche Klausel, 1999, S. 135 und öfter betont dagegen, dass durch die Jastrow´sche Klausel die gleichmäßige Vermögensteilhabe der Kinder nicht gesichert werden könne.
[100] Vgl. dazu den anschaulichen Fall von BayObLG MittBayNot 1996, 110 m. Anm. J. Mayer, MittBayNot 1996, 80 – "der Pflichtteil der Schwiegertochter".

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