Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 189
§ 102 Abs. 6 BetrVG ermöglicht es den Betriebsparteien, zu vereinbaren, dass Kündigungen des Arbeitgebers der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung kann allerdings nicht erzwungen werden, da es sich um einen Regelungsgegenstand der freiwilligen Mitbestimmung handelt. Die Betriebsvereinbarung kann für alle Arten von Kündigungen abgeschlossen werden. Geschieht dies auch für außerordentliche Kündigungen, muss beachtet werden, dass die für sonderkündigungsgeschützte Personen bestehende gesetzliche Regelung des § 103 BetrVG nicht berührt wird. Ferner ist zu beachten, dass durch eine Betriebsvereinbarung nach § 102 Abs. 6 BetrVG die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht berührt wird. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall – also bei einer außerordentlichen Kündigung – den Betriebsrat so rechtzeitig beteiligen, dass dieser unter Wahrung der gesetzlichen Drei-Tage-Frist zustimmen kann. Verweigert der Betriebsrat unter der Geltung einer entsprechenden Betriebsvereinbarung die Erteilung der Zustimmung, dann muss der Arbeitgeber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB die Einigungsstelle anrufen und die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung beantragen. Ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die verweigerte Zustimmung, dann muss der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich aussprechen.
Rz. 190
Den Betriebsparteien steht es im Rahmen des § 102 Abs. 6 BetrVG selbstverständlich auch frei, Regelungen oberhalb des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG aber unterhalb der Stufe eines Zustimmungserfordernisses nach § 102 Abs. 6 BetrVG zu treffen.
Rz. 191
Wenn die Betriebsparteien eine entsprechende Betriebsvereinbarung nach § 102 Abs. 6 BetrVG abgeschlossen haben, bedeutet dies, dass eine Kündigung erst nach Erteilung der Zustimmung durch den Betriebsrat oder nach Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats durch die Einigungsstelle ausgesprochen werden kann. Das betriebsverfassungsrechtliche Verwertungsverbot findet in Verfahren nach § 102 Abs. 6 BetrVG keine (entsprechende) Anwendung im Einigungsstellenverfahren. Der Arbeitgeber ist insoweit nicht präkludiert, sondern kann auch nicht bzw. nicht vollständig mitgeteilte Kündigungsgründe im Einigungsstellenverfahren nachschieben.
Rz. 192
Da das Zustimmungsverfahren nach § 102 Abs. 6 BetrVG das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ersetzt, besteht für den Betriebsrat auch keine Möglichkeit, einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG zu widersprechen. Damit kann kein gesetzlicher Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 102 Abs. 5 BetrVG entstehen.