Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 161
Während des Anhörungsverfahrens können Fehler sowohl durch den Arbeitgeber als auch durch den Betriebsrat gemacht werden. Nach der Rspr. des BAG steht ein Fehler des Arbeitgebers, begangen bei der Einleitung, Durchführung und beim Abschluss des Verfahrens der Nichtanhörung gleich mit der Folge, dass die Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG (analog) ebenfalls betriebsverfassungsrechtlich unwirksam ist.
Rz. 162
Begeht der Arbeitgeber den Fehler, den Betriebsrat nicht anzuhören oder den falschen Betriebsrat anzuhören, führt dies zwingend zur betriebsverfassungsrechtlichen Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG.
Rz. 163
Mängel bei der Einleitung des Verfahrens, insbesondere Fehler durch nicht ordnungsgemäße Erfüllung der gebotenen Mitteilungspflichten des Arbeitgebers, gehen ebenfalls zu Lasten des Arbeitgebers. Die Kündigung ist unwirksam gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, es sei denn, in der Beschränkung der Informationsgabe ist "nur" eine subjektive Determination der Kündigungsgründe zu sehen.
Rz. 164
Hat der Arbeitgeber das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet, dann sind interne Willensbildungsmängel des Betriebsrats unerheblich, es sei denn, diese wären durch ein unsachgemäßes Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden. Nach der zutreffenden Rspr. des BAG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, sich zu vergewissern, ob die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden sachlich und prozedural richtig ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber weiß oder vermuten kann, dass das Verfahren des Betriebsrats nicht fehlerfrei verlaufen ist. Zu den Fehlern, die danach die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nicht berühren, gehören z.B. die fehlerhafte Besetzung des Betriebsrats bei der Beschlussfassung oder die Entscheidung im Umlaufverfahren.
Rz. 165
Etwas anderes gilt dann, wenn für den Arbeitgeber z.B. offenkundig ist, dass der Betriebsratsvorsitzende wegen der Kürze der Zeit ein ordnungsgemäßes Betriebsratsverfahren nicht durchführen konnte oder wenn der Arbeitgeber durch sein unsachgemäßes Verhalten Mängel bei der Beteiligung des Betriebsrats veranlasst, z.B. wenn er die gesetzliche Anhörungsfrist für den Betriebsrat einseitig verkürzt und dies ursächlich für eine fehlerhafte Beschlussfassung des Betriebsrats ist. Soweit allerdings die Stellungnahme zur Kündigung von dem einzelnen Betriebsratsmitglied abgegeben wird und dem Arbeitgeber positiv bekannt ist, dass sich der Betriebsrat mit der Kündigung noch nicht befasst hat, ist das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht vollzogen. Es handelt sich dann bei der Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden nicht um die Mitteilung einer Stellungnahme des Betriebsrats, sondern um die persönliche Stellungnahme, die das Anhörungsverfahren nicht abschließt. Eine gleichwohl in Kenntnis dieses Umstands ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Wenn der Arbeitgeber, der positiv weiß, dass die Beschlussfassung des Betriebsrats ohne Unterrichtung sämtlicher Mitglieder erfolgt ist, allerdings erst nach Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG kündigt, soll die Kenntnis dieses Mangels hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG führen.
Rz. 166
In seiner Entscheidung vom 24.6.2004 hat das BAG diese Grundsätze bestätigt und präzisiert. Danach liegt eine Verletzung von § 102 Abs. 1 BetrVG nur vor, wenn dem Arbeitgeber bei der ihm obliegenden Einleitung des Beteiligungsverfahrens ein Fehler unterläuft. Mängel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, führen danach grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Mögliche Mängel bei der Beschlussfassung des Betriebsrats, beispielsweise eine fehlerhafte Besetzung des Betriebsrats, berühren deshalb grundsätzlich die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht. Etwas anderes kann nach Auffassung des BAG nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber den Fehler bei der Willensbildung des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst bzw. beeinflusst hat.
Rz. 167
Kündigt der Arbeitgeber vor einer Stellungnahme des Betriebsrats, die das Anhörungsverfahren abschließt, oder vor Fristablauf, dann ist die vorzeitig ausgesprochene Kündigung gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG (analog) unwirksam. Mängel bei Abschluss des Verfahrens gehen also regelmäßig zulasten des Arbeitgebers. In diesem Zusammenhang hat das BAG entschieden, dass die Kündigung nicht vor Ablauf der Anhörungsfrist ausgesprochen ist, wenn der Arbeitgeber am letzten Tag der Anhörungsfrist kurz vor Dienstschluss das Kündigungsschreiben einem Kurierdienst übergibt mit dem Auftrag, dieses am nächsten Tag zuzustellen. Zwar könne – so das BAG – der Betriebsrat theoretisch noch am letzten Tag der Anhörungsfrist bis 24.00 Uhr einschl. zu der K...