Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 59
Ist der Mandant prozesskostenhilfebedürftig, ist ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen, in welchem die hinreichenden Erfolgsaussichten für die Berufung darzulegen sind, §§ 114 Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die Begründung des Antrags braucht aber den Anforderungen von § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht zu entsprechen. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, ist innerhalb der Frist des § 234 ZPO Berufung einzulegen und gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung zu beantragen. Einer Partei, die Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittels beantragt hat, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist nach § 233 ZPO aber nur dann gewährt werden, wenn sie rechtzeitig – nämlich vor Ablauf der Rechtsmittelfrist – nicht nur den Prozesskostenhilfeantrag eingereicht, sondern auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan hat.
Rz. 60
Der BGH hat ermöglicht, diese Vorgehensweise zeitlich noch zu erweitern: Die Berufungsfrist ist wegen des wirtschaftlichen Unvermögens einer Partei auch dann noch unverschuldet versäumt, sofern der Antrag auf Prozesskostenhilfe noch innerhalb der zusätzlichen Wiedereinsetzungsfrist gestellt wird. Innerhalb dieses Zeitrahmens sind auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.
Rz. 61
Wird das Prozesskostenhilfegesuch wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt, kommt es für den Wiedereinsetzungsantrag zunächst darauf an, ob sich der Antragsteller für bedürftig halten durfte, z.B. weil er in einem anderen Verfahren Prozesskostenhilfe erhalten und seine wirtschaftlichen Voraussetzungen ordnungsgemäß dargelegt hat. Aber auch dann, wenn eine mittellose Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist lediglich einen – vollständigen – Prozesskostenhilfeantrag einreicht, ist ihre Mittellosigkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann für die versäumte Rechtsmittelfrist kausal, wenn sie trotz Ablehnung der Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und das Rechtsmittel auf eigene Kosten einlegt.
Rz. 62
Praxistipp
Im Übrigen ist für die Berufung eine weitere taktische Überlegung anzustellen. Sollte es sich um eine unsichere Rechtslage handeln und nicht absehbar sein, welche Rechtsauffassung das Berufungsgericht vertritt, sollte ausschließlich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt werden und nicht bereits Berufung eingelegt werden. Wenn sich nämlich die Erfolgsaussichten einer Berufung nicht prognostizieren lassen und das Berufungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten des Rechtsmittels – aufgrund einer für den Mandanten ungünstigen Rechtsauffassung – ablehnt, erhält der Mandant immerhin eine prozesskostengünstige (wenn auch negative) Entscheidung über sein Begehren.