Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
I. Einführung
Rz. 1
Niemand verstirbt ohne Erben. Mit dem Tod des Erblassers wird der Nachlass fürsorgebedürftig. Das BGB geht von dem Grundsatz aus, dass die Abwicklung des Erbfalls Sache der Beteiligten und ein Tätigwerden des Nachlassgerichts nur in besonderen Fällen erforderlich ist. Eine generelle Pflicht des Nachlassgerichts zum Tätigwerden anlässlich eines Erbfalls besteht nicht. Gerade in Zeiten, in denen die Familienverbände auseinandergebrochen sind und die Mobilität zugenommen hat, kann es vorkommen, dass die Erbfolge noch nicht feststeht und es an einer Vertrauensperson fehlt, die den Nachlass für die noch zu ermittelnden Erben verwaltet. Regelmäßig wird dem Nachlassgericht der Tod einer Person durch Anzeige des Standesbeamten bekannt. Da die Mitteilung des Standesamts an das Nachlassgericht im Rahmen eines verwaltungsmäßigen Verfahrens erfolgt, vergehen mehrere Tage zwischen dem Tod einer Person und dem Eingang der Sterbeurkunde beim Nachlassgericht. Hier kann Handeln erforderlich werden, um Veränderungen am Nachlassbestand zu verhindern sowie eventuell vorhandene letztwillige Verfügungen sicherzustellen.
II. Nachlasspflegschaft
Rz. 2
Eine Nachlasspflegschaft wird vom Nachlassgericht angeordnet, wenn die Erbenermittlung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird und der Nachlass eines Verwalters bedarf. Es wird entweder das Nachlassgericht von sich aus tätig oder auf Antrag. Das Nachlassgericht hat von Amts wegen für die Sicherung des inländischen Nachlasses zu sorgen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht. Bei der beantragten Nachlasspflegschaft hat das Nachlassgericht dieselbe Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen wie bei der Anordnung von Amts wegen. Die Anordnung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass der antragstellende Gläubiger die Gerichtskosten vorschießt. Die Nachlasspflegschaft bezweckt die Ermittlung unbekannter Erben sowie die Sicherung, Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses. Sie bezieht sich nur auf inländisches Vermögen von Inländern oder Ausländern und dient der Wahrung der Interessen der noch nicht oder nicht sicher bekannten Erben.
III. Nachlassverwaltung
Rz. 3
Nach der Legaldefinition des § 1975 BGB ist die Nachlassverwaltung eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger. Aus dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich, dass auch die Schulden des Erblassers auf den Erben übergehen. Dieses Ergebnis kann sowohl für die Erben als auch für die Gläubiger des Erblassers unerwünscht sein. Der Erbe wird eventuell das Ziel haben, die Haftung für Erblasserschulden auf den Nachlass zu beschränken. Der Gläubiger eines "reichen" Nachlasses wird verhindern wollen, dass ein "armer", sprich überschuldeter, Erbe sein Vermögen mit dem des Nachlasses vermischt, sodass die Forderung gefährdet sein könnte. Hier ergibt sich ein breites Spektrum anwaltlichen Handelns. Mit der Nachlassverwaltung wird eine Gütersonderung erreicht. Die Trennung der Vermögensmassen wird auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück fingiert. Dadurch wird der Zugriff aller Nachlassgläubiger auf den Nachlass begrenzt und der Zugriff der Privatgläubiger auf den Nachlass verhindert.
IV. Weitere Sicherungsmaßnahmen
Rz. 4
Die Nachlasspflegschaft ist die gängigste Nachlasssicherungsmaßnahme. Die Sicherungspflegschaft stellt in der Praxis das bedeutsamste Sicherungsmittel dar. Für den noch unbekannten Erben wird ein Personenpfleger bestellt. Da die Sicherungspflegschaft jedoch die kostenintensivste Maßnahme darstellt, sollten im Interesse des unbekannten Erben auch die anderen Sicherungsmittel in Betracht gezogen werden, wobei die Gerichte die nachfolgenden Maßnahmen nahezu nie anordnen. Weitere Mittel zur Nachlasssicherung sind:
1. Siegelung
Rz. 5
Die Anordnung der Siegelung ist Aufgabe des Nachlassgerichts. Die Entscheidung wird vom Rechtspfleger getroffen. Die Anordnung erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag. Der Rechtspfleger kann die Ausführung der Versiegelung zwar selbst vornehmen, wird diese aber i.d.R. anderen Organen übertragen; maßgebend ist das Landesrecht. Diese kostengünstige Möglichkeit der Nachlasssicherung wird viel zu selten ergriffen, obwohl dadurch sehr schnell eine Sicherung erreicht werden kann. Sie sollte z.B. von potentiellen Erben in Erwägung gezogen werden. Wird die Anlegung von Siegeln behindert, so kann sie erforderlichenfalls mit den Gewaltmitteln der §§ 35, 87 Abs. 3, 89, 90, 92 Abs. 2, 94, 95 FamFG erzwungen und durchgesetzt werden. Das Anlegen von Siegeln ist jedoch kein Sicherungsmittel für einen Miterben, der die Erbschaft angenommen hat. Um den Nachlass nunmehr zu sichern, ist er auf die Vorschriften des BGB zu verweisen. Ein Erbe oder Miterbe, der bekannt ist und die Erbschaft angenommen hat, besitzt kein Beschwerderecht gegen eine Anordnung des Nachlassgerichts, durch die eine Siegelung als Sicherungsmaßnahme gem. § 1960 BGB aufgehoben wird. Der Erbe oder Miterbe, der bekannt ist un...