Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
I. Zweck der Nachlassverwaltung und Rechtsstellung des Nachlassverwalters
Rz. 204
Die Nachlassverwaltung dient – aus der Sicht eines Erben – in erster Linie der Abwehr einer Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben. Antragsberechtigt ist der Erbe, ferner jeder Nachlassgläubiger, auch wenn er zugleich Miterbe ist. Voraussetzung für die Anordnung der Nachlassverwaltung ist dann, dass die Befriedigung sämtlicher, nicht nur einzelner Nachlassgläubiger aus dem Nachlass gefährdet ist und dies entweder auf dem Verhalten des Erben oder auf seiner Vermögenslage beruht, § 1981 Abs. 2 S. 1 BGB.
Rz. 205
Die Anordnung der Nachlassverwaltung ist kein Mittel zur Überwindung fehlender Mitwirkungsbereitschaft bzw. der Passivität einzelner Miterben bei der Nachlassauseinandersetzung, sofern von diesem Verhalten nicht eine konkrete Gefährdung des Nachlasses ausgeht (amtlicher Leitsatz).
Rz. 206
Der Nachlassverwalter ist nicht wie der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter der Erben, auch nicht der Nachlassgläubiger oder beide zusammen. Er handelt als "amtlich bestelltes Organ zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse mit eigener Parteistellung im Rechtsstreit". Erbe und Gläubiger können nicht Nachlassverwalter sein, da – wegen der Notwendigkeit der Trennung von Nachlass und Eigenvermögen – die Gefahr eines Interessenskonflikts besteht. Ansonsten kann jede für das Amt geeignete Person bestellt werden. Eine Pflicht zur Annahme des Amts besteht nicht, § 1981 Abs. 3 BGB. Die Auswahl hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Es können mehrere Nachlassverwalter bestellt werden. Der Nachlassverwalter ist nicht gesetzlicher Vertreter, sondern Amtstreuhänder mit einer gesetzlichen
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Verfügungs-, |
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Erwerbs-, |
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Prozessführungsermächtigung. |
In sehr vielen Fällen kann die Nachlassverwaltung die Vorstufe zum Nachlassinsolvenzverfahren sein.
II. Aufgaben des Nachlassverwalters
1. Allgemeines
Rz. 207
Der Nachlassverwalter hat die Aufgabe, die Nachlassgläubiger zu befriedigen, und besitzt nur zu diesem Zweck die ausschließliche Verwaltungsbefugnis und Verfügungsmacht über den Nachlass (§§ 1984 Abs. 1, 1985 BGB). Durch die Anordnung der Nachlassverwaltung kommt es zur Trennung der Vermögensmasse: Nachlassvermögen von Eigenvermögen des Erben.
2. Sammlung des Nachlasses
Rz. 208
Der Nachlassverwalter hat die Teilungsmasse (Einreichung eines Nachlassverzeichnisses) sowie die Nachlassgläubiger festzustellen. Er hat ggf. den Nachlass in Besitz zu nehmen; hierzu muss er den Erben auffordern, den Nachlass herauszugeben. Der Nachlassverwalter hat dem Nachlassgericht ein komplettes Verzeichnis des Nachlasses hereinzureichen, § 1985 BGB. Der Nachlassverwalter ist berechtigt, vom Erben Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen, und dass der Erbe notfalls die eidesstattliche Versicherung dazu abgibt.
Muster 12.16: Aufforderungsschreiben an Erben
Muster 12.16: Aufforderungsschreiben an Erben
Einschreiben/Rückschein
Anschrift
Nachlasssache _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
gemäß anliegend beigefügter beglaubigter Kopie des Beschlusses des Amtsgerichts _________________________ – Nachlassgericht – bin ich zum Nachlassverwalter berufen worden.
Um meiner gesetzlichen Verpflichtung, Erstellung und Vorlage eines Nachlassverzeichnisses, beim Nachlassgericht nachkommen zu können, werden Sie gebeten, bis zum _________________________
1. eine Aufstellung zu übermitteln, die alle Nachlassgegenstände, Forderungen und Schulden enthält; in der Anlage füge ich zur Hilfestellung ein entsprechendes Formblatt bei;
2. mir die im Nachlass befindlichen Wertsachen, Sparbücher und sonstigen Wertgegenstände und das Bargeld herauszugeben; nach Eingang des Vermögensverzeichnisses werde ich Ihnen mitteilen, wie mit den restlichen Nachlassgegenständen verfahren wird.
Ich gehe davon aus, dass ich keine gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss.
(Unterschrift)
Rz. 209
Praxishinweis
Das Verlangen des Nachlassverwalters auf Vorlage des Nachlassverzeichnisses, der eidesstattlichen Versicherung und der Herausgabe der Nachlassgegenstände sowie Räumung eines Grundstücks müssen im Klageweg erzwungen werden. Anders als der Insolvenzeröffnungsbeschluss ist die Anordnung der Nachlassverwaltung kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
3. Aufgebotsverfahren
Rz. 210
Um den Zweck der Verwaltung erfüllen zu können, hat der Nachlassverwalter die Nachlassgläubiger zu ermitteln, notfalls durch Aufgebot. Das Aufgebot empfiehlt sich schon im Hinblick auf die den Nachlassverwalter gem. § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB treffenden Pflichten. Nach § 1985 BGB muss der Nachlassverwalter – will er nicht die persönliche Haftung riskieren – das Aufgebot der Nachlassgläubiger beantragen, wenn er Grund hat, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen, und nicht d...