Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
1. Allgemeines zur Schuldenhaftung
Rz. 278
Bei der Frage der Haftung für die geltend gemachte Beitragsforderung ist zwischen sog. Erblasserschulden, Erbfallschulden, Nachlasserbenschulden und Eigenschuld zu unterscheiden.
Unter Erblasserschulden sind vom Erblasser herrührende Schulden zu verstehen, die im Zeitpunkt des Erbfalls schon in der Person des Erblassers begründet waren. Erbfallschulden sind die den Erben als solchen treffenden Schulden, die aus Anlass des Erbfalls entstehen; zu ihnen gehören Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse und Auflagen, aber auch Nachlasskosten und Nachlassverwaltungsschulden. Erblasserschulden und Erbfallschulden zählen aufgrund der gesetzlichen Regelung (§ 1967 Abs. 2 BGB) unstreitig zu den Nachlassverbindlichkeiten, für die der Erbe gem. § 1975 BGB auf den Nachlass beschränkt haftet.
Zu der im Gesetz nicht genannten dritten Gruppe, den Nachlasserbenschulden, sind diejenigen Verbindlichkeiten zu rechnen, die der Erbe in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses eingegangen ist. Bei der vierten Gruppe, den Eigenschulden, handelt es sich um Verbindlichkeiten, die vor oder nach dem Erbfall in der Person des Erben entstanden sind und ihn als Träger seines eigenen Vermögens berühren. Sie zählen nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten.
2. Erbenberatung zur Schuldenhaftung
Rz. 279
Der Erbe ist auf folgende Punkte hinzuweisen:
(1) Obwohl der Erbe auch während des Gütersonderungsverfahrens Träger der Nachlassrechte, -pflichten und -lasten bleibt, geht die Prozessführungsbefugnis auf den Verwalter über (§ 1984 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB). Er kann bei bestehender Nachlassverwaltung eine Nachlassforderung dann einklagen, wenn er vom Nachlassverwalter zur Prozessführung ermächtigt ist und ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an einer Prozessführung im eigenen Namen hat. Dieses Interesse ergibt sich i.d.R. schon daraus, dass der Erbe Träger des materiellen Rechts ist.
(2) Der Erbe kann aus dem Nachlass Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, die ihm dadurch entstanden sind, dass er aus Mitteln seines Eigenvermögens Nachlassschulden bezahlt hat, sei es durch Zahlung oder Aufrechnung mit Ansprüchen seines Eigenvermögens (§§ 1978 Abs. 3, 670, 683, 684 BGB).
(3) Der Erbe haftet trotz Durchführung der Güter- und Haftungssonderung durch die angeordnete Nachlassverwaltung, wenn Inventaruntreue vorliegt. Eine Inventaruntreue liegt vor, wenn
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der Erbe die einzelnen Nachlassgegenstände absichtlich erheblich unvollständig angibt (§§ 2001, 2005 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB), wobei eine Gläubigerbenachteiligung dabei nicht erforderlich ist – der Erbe muss mit der Unvollständigkeit aber einen bestimmten Zweck verfolgen; |
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der Erbe die Aufnahme einer nicht bestehenden Nachlassschuld in das Inventar verursacht, um die Nachlassgläubiger zu benachteiligen (§ 2005 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB); |
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der Erbe die von ihm geforderte Auskunft bei der amtlichen Inventaraufnahme verweigert (§ 2003 BGB) oder |
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die von ihm geforderte Auskunft absichtlich in erheblichem Maße verzögert (§ 2005 Abs. 1 S. 2 BGB). |
(4) Der Erbe hat die Vollständigkeit des Inventars hinsichtlich des Aktivbestands auf Antrag eines Nachlassgläubigers an Eides statt zu versichern. Falls der Erbe die eidesstattliche Versicherung gegenüber einem Gläubiger nicht abgibt, verliert er gegenüber diesem Gläubiger das Recht zur Haftungsbeschränkung, den anderen Gläubigern gegenüber jedoch nicht. Der Erbe kann auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verklagt werden.
(5) Die Nachlassverwaltung kann erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.
(6) Der Antrag des Erben auf Anordnung der Nachlassverwaltung kann abgelehnt werden, wenn er offensichtlich nur der Bequemlichkeit des Erben dient. Ein bloßer Verdacht, dass der Antrag nicht die gesetzliche Zielsetzung der Nachlassverwaltung verfolgt, reicht aber für die Ablehnung nicht aus.
(7) Einkünfte, die nach dem Tod des Erblassers aus dem Nachlass erzielt werden, sind auch im Fall der Anordnung der Nachlassverwaltung dem Erben zuzurechnen. Bei der auf diese Einkünfte entfallenden Einkommensteuer handelt es sich um eine Eigenschuld des Erben, für die die Beschränkung der Erbenhaftung nicht geltend gemacht werden kann.
(8) Beschränkt sich die Haftung des Erben auf den Nachlass, weil Nachlassverwaltung angeordnet worden ist, so bleibt sie auch nach der Aufhebung der Nachlassverwaltung bestehen. Der Erbe kann in entsprechender Anwendung des § 1990 BGB die Beschränkung der Haftung im Wege der Einrede geltend machen. Die Geltendmachung der Einrede kann ihm nach § 780 ZPO vorbehalten werden.
Aus der Verweisung in § 45 Abs. 2 S. 1 AO 1977 auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten ergibt sich, dass der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, aber beschränkbar haftet. Das Finanzamt darf im Fall der Nachlassverwaltung oder der Nachlassinsolvenz aus einem gegen den Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergangenen vollstreckbaren Steuerbescheid nur in Nachlassgegenstände und nicht in ...