Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
1. Allgemeines
Rz. 207
Der Nachlassverwalter hat die Aufgabe, die Nachlassgläubiger zu befriedigen, und besitzt nur zu diesem Zweck die ausschließliche Verwaltungsbefugnis und Verfügungsmacht über den Nachlass (§§ 1984 Abs. 1, 1985 BGB). Durch die Anordnung der Nachlassverwaltung kommt es zur Trennung der Vermögensmasse: Nachlassvermögen von Eigenvermögen des Erben.
2. Sammlung des Nachlasses
Rz. 208
Der Nachlassverwalter hat die Teilungsmasse (Einreichung eines Nachlassverzeichnisses) sowie die Nachlassgläubiger festzustellen. Er hat ggf. den Nachlass in Besitz zu nehmen; hierzu muss er den Erben auffordern, den Nachlass herauszugeben. Der Nachlassverwalter hat dem Nachlassgericht ein komplettes Verzeichnis des Nachlasses hereinzureichen, § 1985 BGB. Der Nachlassverwalter ist berechtigt, vom Erben Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen, und dass der Erbe notfalls die eidesstattliche Versicherung dazu abgibt.
Muster 12.16: Aufforderungsschreiben an Erben
Muster 12.16: Aufforderungsschreiben an Erben
Einschreiben/Rückschein
Anschrift
Nachlasssache _________________________
Sehr geehrte Damen und Herren,
gemäß anliegend beigefügter beglaubigter Kopie des Beschlusses des Amtsgerichts _________________________ – Nachlassgericht – bin ich zum Nachlassverwalter berufen worden.
Um meiner gesetzlichen Verpflichtung, Erstellung und Vorlage eines Nachlassverzeichnisses, beim Nachlassgericht nachkommen zu können, werden Sie gebeten, bis zum _________________________
1. eine Aufstellung zu übermitteln, die alle Nachlassgegenstände, Forderungen und Schulden enthält; in der Anlage füge ich zur Hilfestellung ein entsprechendes Formblatt bei;
2. mir die im Nachlass befindlichen Wertsachen, Sparbücher und sonstigen Wertgegenstände und das Bargeld herauszugeben; nach Eingang des Vermögensverzeichnisses werde ich Ihnen mitteilen, wie mit den restlichen Nachlassgegenständen verfahren wird.
Ich gehe davon aus, dass ich keine gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss.
(Unterschrift)
Rz. 209
Praxishinweis
Das Verlangen des Nachlassverwalters auf Vorlage des Nachlassverzeichnisses, der eidesstattlichen Versicherung und der Herausgabe der Nachlassgegenstände sowie Räumung eines Grundstücks müssen im Klageweg erzwungen werden. Anders als der Insolvenzeröffnungsbeschluss ist die Anordnung der Nachlassverwaltung kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
3. Aufgebotsverfahren
Rz. 210
Um den Zweck der Verwaltung erfüllen zu können, hat der Nachlassverwalter die Nachlassgläubiger zu ermitteln, notfalls durch Aufgebot. Das Aufgebot empfiehlt sich schon im Hinblick auf die den Nachlassverwalter gem. § 1985 Abs. 2 S. 2 BGB treffenden Pflichten. Nach § 1985 BGB muss der Nachlassverwalter – will er nicht die persönliche Haftung riskieren – das Aufgebot der Nachlassgläubiger beantragen, wenn er Grund hat, das Vorhandensein unbekannter Nachlassverbindlichkeiten anzunehmen, und nicht die Kosten des Verfahrens im Verhältnis zum Bestand des Nachlasses unverhältnismäßig groß sind. Eine persönliche Haftung droht auch dann, wenn er bei der Stellung des Aufgebotsantrags entgegen § 992 ZPO nicht alle ihm bekannten Nachlassgläubiger in das beizufügende Verzeichnis aufnimmt.
4. Befriedigung der Nachlassgläubiger
Rz. 211
Der Nachlassverwalter hat die Gesamtheit der Nachlassgläubiger zu befriedigen. Einzelne Nachlassverbindlichkeiten darf er nur erfüllen, wenn den Umständen nach anzunehmen ist, dass der Nachlass für alle Nachlassgläubiger ausreichend ist. Vor einer Zahlung an Nachlassgläubiger muss der Nachlassverwalter sorgfältig prüfen, einerseits welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und noch entstehen können sowie andererseits, welche Aktiva zum Nachlass gehören und welchen Erlös er aus deren Verwertung erlangen wird. Ohne dieses Vorgehen darf er nicht von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen. Die Darlegungslast und Beweislast für diejenigen Umstände, die dazu geführt haben sollen, dass Zulänglichkeit angenommen werden durfte, trägt der Nachlassverwalter. Hat der Nachlassverwalter unbefugt Nachlassverbindlichkeiten erfüllt, so bemisst sich der Schaden der übrigen Nachlassgläubiger nach dem Ergebnis des Nachlassverfahrens.
Rz. 212
Wie im Gesetz an mehreren Stellen zum Ausdruck kommt (§ 1975 BGB, § 780 Abs. 2 ZPO), ist die Nachlassverwaltung ein Sonderfall der Nachlasspflegschaft. Infolgedessen haftet der Nachlasspfleger, wenn er seine Pflichten verletzt, dem Erben gem. §§ 1833 Abs. 1, 1915 Abs. 1 BGB für den daraus entstehenden Schaden. Darüber hinaus ist der Nachlassverwalter gem. §§ 1985 Abs. 2, 1980 Abs. 1 S. 2 BGB aber auch den Nachlassgläubigern verantwortlich; entsprechende Schadensersatzansprüche der Gläubiger gelten gem. §§ 1978 Abs. 2, 1985 Abs. 2 S. 2 BGB als zum Nachlass gehörend und sind daher, solange Nachlassverwaltung besteht, von dem Nachlassverwalter und während der Nachlassinsolvenz von dem Insolvenzverwalter geltend zu machen.
Rz. 213
Wie § ...