Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
1. Voraussetzungen
Rz. 39
Die Regelung des § 1961 BGB steht im Zusammenhang mit § 1958 BGB. Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann vor der Annahme der Erbschaft nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden. Die Klage eines Nachlassgläubigers gegen den Erben vor der Erbschaftsannahme ist mangels passiver Prozessführungsbefugnis des zukünftigen Erben als unzulässig abzuweisen. § 1961 BGB gibt dem Nachlassgläubiger die Möglichkeit, jedoch unter den hier genannten Voraussetzungen die Bestallung eines Nachlasspflegers zu beantragen, für den nach § 1960 Abs. 3 BGB die Beschränkung des § 1958 BGB nicht gilt. Der Gläubiger kann gleich klagen. Der Nachlassgläubiger kann somit seine gegen den Nachlass gerichteten Ansprüche bereits vor der Erbschaftsannahme durch Klage gegen den Nachlasspfleger als Vertreter des endgültigen Erben verfolgen. § 1961 BGB erleichtert den Nachlassgläubigern die Rechtsverfolgung. Bei Auslandserben bedeutet dies eine deutlich schnellere Klagemöglichkeit.
Rz. 40
Zudem schafft § 1961 BGB die Grundlage für die gerichtliche Verfolgung von gegen den Nachlass gerichteten Ansprüchen vor dem Zeitpunkt der Erbschaftsannahme in den Fällen, in denen bereits der Erblasser verklagt war. Nach § 239 Abs. 1 ZPO wird aufgrund des Todes der Partei das Verfahren bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolge unterbrochen, der Erbe ist nach § 239 Abs. 5 ZPO vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet, es sei denn, es kommt zur Anwendung des § 243 ZPO, danach ist bei der Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei für den Fall einer Bestellung eines Nachlasspflegers die Vorschrift des § 241 ZPO anzuwenden. § 241 ZPO hat zur Folge, dass das unterbrochene Verfahren durch Anzeige des Gegners an den Nachlasspfleger aufgenommen wird.
Rz. 41
Die sog. Klagpflegschaft des § 1961 BGB ermöglicht die gerichtliche Geltendmachung eines Klageanspruchs gegen die unbekannten Erben. Hier müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
(1) Formelle Voraussetzungen
(2) Materielle Voraussetzungen
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Der Erbe darf die Erbschaft noch nicht angenommen haben. |
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Es ist ungewiss, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat. |
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Der Antragsteller muss einen klagbaren Anspruch gegen den Erblasser haben. |
2. Nachlassgläubiger
Rz. 42
Der Nachlassgläubiger hat die Möglichkeit, den Antrag auf Anordnung der Klagpflegschaft sowohl schriftlich als auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts zu stellen. Vom Antragsteller darf kein Kostenvorschuss (§ 8 GNotKG) verlangt werden, da es sich um ein amtswegiges Verfahren handelt. Kosten der Pflegschaft sind Nachlassverbindlichkeiten und fallen nicht dem Gläubiger zur Last. Da die Erben für die Kosten haften, braucht der antragstellende Gläubiger auch keinen Vorschuss nach § 8 GNotKG zu leisten. Das Nachlassgericht hat von Amts wegen festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung vorliegen und hat demnach auch zu prüfen, ob es sich um den Anspruch eines Nachlassgläubigers handelt. § 1961 BGB ist eine Mussvorschrift. Das Nachlassgericht hat den Nachlasspfleger zu bestellen.
Praxishinweis
Die Prüfung des Anspruchs als solchen steht dem Nachlassgericht nicht zu. Obwohl der Antragsteller seinen Anspruch nicht glaubhaft zu machen hat, um eine Tätigkeit des Gerichts herbeizuführen, wird empfohlen, sowohl sämtliche Vertragsunterlagen als auch eine Erklärung an Eides statt über den Sachverhalt einzureichen. Es können sämtliche zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, so auch Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse, Auflagen und Beerdigungskosten. Wichtig ist die Klagepflegschaft auch für die Verjährungsunterbrechung.
3. Gerichtliche Geltendmachung
Rz. 43
Der Antrag ist nur dann zulässig, wenn er zum Zweck der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs gegen den Nachlass gestellt wird. Es empfiehlt sich, dem entsprechenden Antrag eine Abschrift des beabsichtigten Mahnbescheids bzw. den Entwurf einer Klage oder des Zwangsvollstreckungsauftrags beizufügen.
4. Undurchführbarkeit ohne Nachlasspflegschaft
Rz. 44
Der Antrag hat zu enthalten, dass die beabsichtigte gerichtliche Geltendmachung ohne die Bestellung des Nachlasspflegers undurchführbar wäre. Es muss nicht begründet werden, warum nicht bis zu Erbenermittlung bzw. Annahme gewartet werden kann.
5. Stellung des Pflegers
Rz. 45
Der Nachlasspfleger aufgrund der Klagpflegschaft ist nicht Spezialpfleger für die beabsichtigte Rechtsverfolgung, sondern der rechte Nachlasspfleger i.S.d. § 1960 BGB.