Rz. 9
Mit § 8 DSG 2018 normiert der österreichische Gesetzgeber Einschränkungen in Bezug auf die Übermittlung von Adressdaten zum Zwecke der Benachrichtigung und Befragung von betroffenen Personen. Derartige "Übermittlungen" sollen nach § 8 Abs. 1 DSG 2018 grundsätzlich nur zulässig sein, wenn die betroffene Person zuvor ihre Einwilligung zur Teilnahme an derartigen Benachrichtigungen oder Befragungen erteilt hat. Die DSGVO enthält solche Einschränkungen und/oder Erweiterungen im Hinblick auf die "Übermittlung von Adressdaten" nicht. Unbeschadet des Umstandes, dass die DSGVO nicht zwischen "Übermittlung" und sonstiger Verarbeitung unterscheidet, negiert insbesondere § 8 Abs. 1 DSG 2019 den Umstand, dass die DSGVO über den in Art. 6 DSGVO weiter ausgeprägten Erforderlichkeitsgrundsatz (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. e EU-DSGVO) hinaus keine konkreten Vorgaben zur Rechtmäßigkeit von Verarbeitungen enthält und die Einwilligung des Betroffenen nur in besonderen Ausnahmesituationen überhaupt als "einzig" adäquates Mittel zur Rechtfertigung von Verarbeitungen ansieht. Der österreichische Gesetzgeber weicht hiervon für den in der DSGVO nicht beschriebenen Fall der "Übermittlung" ab. Ob er sich damit noch innerhalb der durch die DSGVO gesetzten, europarechtlichen Grenzen bewegt, ist fraglich.
Rz. 10
§ 8 Abs. 2 und 3 DSG 2018 normieren Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis nach § 8 Abs. 1 DSG 2018. Hiernach gilt:
Zitat
(2) Wenn allerdings eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Personen angesichts der Auswahlkriterien für den Betroffenenkreis und des Gegenstands der Benachrichtigung oder Befragung unwahrscheinlich ist, bedarf es keiner Einwilligung, wenn
1. Daten desselben Verantwortlichen verarbeitet werden oder
2. bei einer beabsichtigten Übermittlung der Adressdaten an Dritte
a) an der Benachrichtigung oder Befragung auch ein öffentliches Interesse besteht oder
b) keiner der betroffenen Personen nach entsprechender Information über Anlass und Inhalt der Übermittlung innerhalb angemessener Frist Widerspruch gegen die Übermittlung erhoben hat.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor und würde die Einholung der Einwilligung der betroffenen Personen gemäß Abs. 1 einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, ist die Übermittlung der Adressdaten mit Genehmigung der Datenschutzbehörde gemäß Abs. 4 zulässig, falls die Übermittlung an Dritte
1. zum Zweck der Benachrichtigung oder Befragung aus einem wichtigen Interesse des Betroffenen selbst,
2. aus einem wichtigen öffentlichen Benachrichtigungs- oder Befragungsinteresse oder
3. zur Befragung der betroffenen Personen für wissenschaftliche oder statistische Zwecke erfolgen soll
Rz. 11
Nach hiesiger Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur in den in § 8 Abs. 2 und 3 DSG 2018 normierten Fällen, eine "Übermittlung" von Adressdaten ohne Einwilligung des Betroffenen mit der DSGVO vereinbar wäre. Diese Fallkonstellationen stellen vielmehr keineswegs die einzig möglichen dar, die mit der EU-Datenschutzgrundverordnung in Einklang stehen bzw. sich aus selbiger zwingend ergeben würden. Die künftige Verarbeitungspraxis auch von Adressdaten hat sich vielmehr am Erforderlichkeitsmaßstab des Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO messen zu lassen, der dem Verantwortlichen auch im Hinblick auf das Anknüpfungsmoment einen Spielraum eröffnet. Dass der österreichische Gesetzgeber berechtigt sein soll, festzuschreiben, wann die Grenzen dieses Spielraums erreicht sind, erscheint fraglich. Jedenfalls aber kann die Norm europarechtlich nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie die, dem Verantwortlichen nach der DSGVO im Rahmen der Verarbeitung, eingeräumte Bandbreite verbindlich beschränkt. Insbesondere die Regelung in § 6 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) DSG 2018 erscheint zudem mit den in der DSGVO normierten Einwilligungsgrundsätzen unvereinbar. Es bleibt abzuwarten, wie sich die österreichische Rechtsprechung zu der Bereichsausnahme in § 8 DSG 2018 positionieren wird.