Cordula Schah-Sedi, Michel Schah-Sedi
Rz. 221
Sowohl das OLG Karlsruhe (Urt. v. 23.12.14 – 9a U 15/14, r+s 2015, 78) als auch der BGH (Urt. v. 6.7.2016 – IV ZR 44/15) kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist.
Die Klausel vermittelt keine Aufschluss darüber, von welcher Dauer die Einkommensminderung nach Vertragsschluss sein muss, damit der Versicherer von seinem Herabsetzungsbegehren Gebrauch machen kann. Auch die in § 4 Abs. 3 MB/KT 2009 auferlegte Pflicht, eine nicht nur vorübergehende Einkommensminderung unverzüglich anzuzeigen, hilft dem Versicherungsnehmer nicht weiter. Gerade für Selbstständige, die nahezu permanenten Einkommensschwankungen ausgesetzt sind, ist die Ermittlung der Dauer der Einkommensminderung kaum verständlich vermittelt worden.
Auch der Begriff des "Nettoeinkommens" ist nicht deutlich umschrieben, eine eigenständige Definition fehlt. Auch wenn der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer sein steuerrechtlich ermitteltes Einkommen zugrunde legen wird, muss dieses nicht als "Nettoeinkommen" i.S.d. § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 verstanden werden. Hierfür spricht bereits das unterschiedliche Verständnis des in zahlreichen Gesetzen zu findenden Begriffs "Einkommen", z.B. § 115 ZPO, §§ 2 ff. EStG. Wenn also die Rechtssprache bereits keinen einheitlichen Inhalt mit dem Begriff "Einkommen" verbindet, so erweist sich auch der Begriff "Nettoeinkommen" als intransparent.
Rz. 222
Teilweise sehen die Bedingungen vor, dass anstatt auf das Nettoeinkommen auf das aus der selbstständigen Tätigkeit zu erzielende steuerliche Einkommen nach dem Einkommensteuergesetz abzustellen ist. Hiervon ist dann 80 % über die Krankentagegeldversicherung versicherbar.
Derartige Klauseln retten den Versicherer jedoch nicht, da mit ihnen allenfalls der Begriff des Nettoeinkommens geklärt werden kann, der als Bemessungsgröße dient. Von welcher Dauer die Minderung sein kann, erklären auch diese Klauseln nicht. Darüber hinaus tritt die Tatsache hinzu, dass das Einkommensteuergesetz bei Selbstständigen auf den im Wirtschaftsjahr ermittelten Gewinn abstellt. Das Wirtschaftsjahr ist, mit Ausnahme der Landwirte, jedoch das Kalenderjahr. Sehen die Bedingungen nun vor, dass das durchschnittliche Einkommen der letzten 12 Monate vor Antragstellung oder Arbeitsunfähigkeit nach diesen Grundätzen ermittelt werden muss, ist dies dem Versicherungsnehmer in der Regel nicht möglich, da weder die Antragstellung noch der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit auf das Kalenderjahr Rücksicht nimmt.
Rz. 223
Intransparent sind in unseren Augen auch Klauseln, die auf ein nach dem Einkommensteuergesetz zu ermittelndes "Bruttoeinkommen" abstellen. Denn das Einkommensteuergesetz kennt den Begriff "Bruttoeinkommen" nicht, sondern stellt bei Selbstständigen auf die Einkünfte ab, die sich als Gewinn darstellen.