Rz. 11
Für die Einführung einer gesonderten Produkthaftpflichtversicherung gibt es viele Gründe: Die Verschärfung der deliktischen Produzentenhaftung – durch die oben bereits erwähnten Urteile – und parallel in dieser Zeit erfolgte wissenschaftlich-dogmatische Untersuchungen ließen in der Versicherungswirtschaft, aber auch im Bereich der Unternehmerschaft Überlegungen aufkommen, wie dem gestiegenen Risiko angemessen Rechnung getragen werden könnte.
Eine besonders kontroverse Diskussion löste die "Kleber-Entscheidung" des BGH aus. Betroffen war die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.1.2002 inzwischen ersatzlos gestrichene Regelung des § 463 BGB a.F. Der Sachverhalt wurde oben (siehe Rdn 1 ff.) bereits erwähnt. In der Entscheidung hat der VIII. Zivilsenat des BGH damals hervorgehoben, der Schadensersatzanspruch des Käufers wegen Nichterfüllung beim Fehlen zugesicherter Eigenschaften umfasse auch den Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgeschäden, wenn die Zusicherung das Ziel verfolge, den Käufer gegen solche Schäden abzusichern. Von Seiten der Industrie wurde seinerzeit – im Anschluss an diese Entscheidung – die Ansicht vertreten, dass für den sich aus § 463 BGB a.F. ableitenden Anspruch auf Ersatz der Mangelfolgeschäden ohne Weiteres Versicherungsschutz zu gewähren sei. Es handele sich – so die Argumentation – eben um einen sog. gesetzlichen Haftpflichtanspruch. Es genüge, die Deckungssummen für Personen- und Sachschäden angemessen zu erhöhen und damit den Versicherungsschutz auf Vermögensschäden zu erweitern, um die verschärfte Haftung – versicherungstechnisch – in den Griff zu bekommen. Demgegenüber vertrat der damalige HUK-Verband (Haftpflicht-, Unfall-, Kraftfahrt- und Rechtsschutzversicherung, der Verband vereinte sich 1995 mit dem Verband der Sachversicherer e.V. und ging 1997 im GDV auf) in einem Rundschreiben die Ansicht, dass der – im Kleberfall zugesprochene – Ersatz des Mangelfolgeschadens auf einer Auslegung einer vertraglich abgegebenen Zusicherung des Verkäufers beruhe. Der Leistungsaufwand des Verkäufers bleibe im Rahmen des Erfüllungsbereiches, der eben nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung sei. Dennoch leugnete niemand, dass bedingt durch die haftungsmäßig gestiegenen Risiken und der nur begrenzten Tauglichkeit der Betriebshaftpflichtversicherung, und insbesondere bedingt durch das "Kleber-Urteil", unstreitig ein neues Versicherungsbedürfnis für Mangelfolgeschäden und damit für Vermögensschäden entstanden war.
Rz. 12
Die Entwicklung der sog. Produkthaftpflichtversicherung lässt sich in groben Zügen zusammenfassen: 1970 bildete sich eine Expertenkommission, bestehend aus Mitgliedern des HUK-Verbandes, Mitgliedern des deutschen Versicherungs-Schutzverbandes ("DVS") und Mitgliedern des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Die Kommission legte bereits im Dezember 1972 den Entwurf einer Produkthaftpflichtversicherung vor und ließ die beteiligten Verbände diesem Modell zustimmen. Schließlich wurden die Modellbedingungen – wie dies damals noch notwendig war – durch das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen genehmigt. Im Jahre 1973 wurde das erste Produkthaftpflichtmodell mit Erläuterungen veröffentlicht. Zunächst galt es nur für Industriebetriebe, schließlich wurde aber ab 1975 die Möglichkeit eröffnet, das Modell auch auf Großhandelsbetriebe zu erweitern. Auf Initiative des BDI, des DVS und des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) kam es 1979 zu ersten Ergänzungen u.a. zur sog. Maschinenklausel (jetziges Modell Ziff. 4.5) und auch zur Neufassung der sog. Vorsatzklausel (jetzt Ziff. 6.2.4). Die Fortentwicklungen des Haftungsrechts durch die Rechtsprechung führten zu Diskussionen über eine grundlegende Reform im Jahre 1984. 1986 kam es zu Erweiterungen des Modells unter anderem auf alle Handelsbetriebe – genehmigt durch das BAV –; ferner wurde die heutige Ziff. 4.4 (die sog. Aus- und Einbauklausel) geändert und eine sog. alternative Serienschadenklausel (sog. Besondere Bedingungen für den alternativen Einschluss von Serienschäden in die Produkthaftpflichtversicherung) eingeführt. Schließlich wurde das Produkthaftpflicht-Modell von der Versicherungswirtschaft gänzlich neu überarbeitet und im März 2000 veröffentlicht. Anschließend machte das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 1.1.2002 es notwendig, das Produkthaftpflicht-Modell von März 2000 erneut gänzlich zu überarbeiten, zum Teil deshalb, weil sich der haftungsrechtliche Regelungsgehalt, insbesondere aber auch die Terminologie geändert hatte, auf die sich die Deckung bezieht. Die Novellierung wurde vom GDV zum Anlass genommen, einige Klauseln des Modells 2000 ebenfalls zu bearbeiten. Im Juli 2002 wurde dann das überarbeitete Modell veröffentlicht. Nachdem der GDV die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung ("AHB") zunächst in 2006 aktualisiert (Stand: Januar 2006) und diese nicht mehr – wie bisher – mit Paragraphe...