Rz. 118
Ziff. 4.4.3 durchbricht das Grundprinzip, dass nachbesserungsbedingte Austauschkosten nicht versicherbar sind, so wie es sich aus den AHB grundsätzlich ergibt, und schränkt damit auch den Ausschluss nach Ziff. 6.1.1 ein. Über Ziff. 4.4.3 wird die Aus- und Einbaukostendeckung – und dies, obwohl nach Auffassung der Versicherungswirtschaft ein ganz erhebliches Risikopotential abgesichert wird – auf Nebenansprüche der Nacherfüllung erstreckt. Es geht also mit anderen Worten nicht um gesetzliche Schadensersatzansprüche Dritter, sondern einzig und allein darum, Nacherfüllungsansprüche abzusichern. Zwar sind Aus- und Einbaukosten Gegenstand von Schadensersatzansprüchen, wenn denn der Abnehmer des Versicherungsnehmers dessen Erzeugnis in ein Gesamtprodukt einfügt, dieses an einen Dritten veräußert und der Dritte vom Abnehmer Aus- und Einbaukosten verlangt (sog. zweite Warenabsatzstufe). Macht der Abnehmer den Schaden aus der Inanspruchnahme wegen Austauschkosten beim Versicherungsnehmer geltend, handelt es sich um Schadensersatzansprüche, so dass ohnehin Deckungsschutz nach Ziff. 4.4.1 bzw. 4.4.2 besteht. Anders – so wird hervorgehoben – ist dies in der sog. ersten Warenabsatz- oder -verarbeitungsstufe, wenn also der Versicherungsnehmer das Erzeugnis an einen Abnehmer liefert, der dieses in ein Gesamtprodukt einbaut und dann – im Anschluss daran – Ersatz der Austauschkosten begehrt. Im Wesentlichen geht es hier um Nebenansprüche der Nacherfüllung.
Neben § 280 BGB ist die Regelung des § 439 BGB entscheidend. Danach hat der Verkäufer – und zwar verschuldensunabhängig – die zur Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Hierunter konnten nach früherer Auffassung Kosten für den Aus- und Einbau fallen. Bei Mängeln der Kaufsache hat der Käufer gemäß § 437 Nr. 1 BGB einen Anspruch auf Nacherfüllung nach § 439 BGB. Als Nacherfüllung kann er nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
Wird die Beseitigung des Mangels gewählt, konnte der Käufer der ersten Warenabsatzstufe verlangen, dass die Aus- und Einbaukosten durch den Verkäufer übernommen werden, sofern der Aus- und Einbau der Kaufsache zur Mangelbeseitigung erforderlich ist. Vor dem Hintergrund, dass die Kaufsache in diesen Konstellationen nicht im eingebauten Zustand repariert werden kann, sondern zu diesem Zweck ausgebaut werden muss, waren die Ausbaukosten mithin Kosten i.S.d. § 439 Abs. 2 BGB. Aufgrund der Tatsache, dass der ausgebaute Zustand gerade durch die Mangelbeseitigung erforderlich wird, ist auch der Wiedereinbau der nachgebesserten Sache mithin Teil der Nacherfüllung i.S.d. § 439 Abs. 1 BGB und die dafür erforderlichen Kosten gemäß § 439 Abs. 2 BGB durch den Verkäufer zu tragen.
Aus- und Einbaukosten im Fall der Nachlieferung einer mangelfreien Sache waren dagegen schwieriger zu beurteilen. Ziel der Nacherfüllung ist es, dem Käufer eine mangelfreie Sache zur Verfügung zu stellen. Nachlieferung ist mithin die vom Verkäufer veranlasste unentgeltliche Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache. Sie muss übergeben und übereignet werden. Die zu diesem Zweck aufgewendeten Kosten, etwa die Transportkosten bis zum ursprünglichen Erfüllungsort, sind von § 439 Abs. 2 BGB erfasst. Zur Erreichung des Zwecks ist der Ausbau der mangelhaften Kaufsache nicht zwingend erforderlich. Die Gegenauffassung bezog sich darauf, dass der Einbau des mangelfreien Erzeugnisses bzw. die dadurch ausgelösten Kosten von § 439 Abs. 2 BGB erfasst würden, denn der Käufer müsse so gestellt werden, als wäre das Erzeugnis mangelfrei und zwar in eingebautem Zustand. Zu dieser Einbaukostenproblematik hatte der BGH 2008 entschieden, dass diese nicht unter § 439 BGB falle. Denn diese sei ein modifizierter Erfüllungsanspruch, der nur die Wiederholung der ursprünglichen Vertragserfüllung – Übergabe und Übereignung des mangelfreien Erzeugnisses – verlange. In Betracht kam daher nur eine Erstattung dieser Einbaukosten über § 280 BGB im Wege des Schadensersatzes. Nur dieser Schadensersatzanspruch setzt ein – vermutetes – Verschulden des Verkäufers voraus. Was die Ausbaukosten anbelangt, war es überwiegende Auffassung, dass diese Kosten von § 439 BGB gedeckt sein sollen. Auf Vorlage des BGH hat der EuGH dies, allerdings nur für den Verbrauchsgüterkauf, bestätigt.
Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber gehandelt: Seit dem 1.1.2018 ist durch das "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren" vom 28.4.2017 und die Einfügung des neuen § 439 Abs. 3 BGB diese sehr strittige Unklarheit beendet worden. In § 439 Abs. 3 BGB ist nunmehr klargestellt, dass Aus- und Einbaukosten von dem Nacherfüllungsanspruch erfasst werden, wenn der Einbau erfolgte, bevor der fragliche Mangel zu ...