(1) Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung
Rz. 69
Bei der Auslegung der Formulierungen nach §§ 133, 157 BGB ist (jedenfalls sinngemäß) auch auf die Regeln der §§ 946 ff. BGB zurückzugreifen, jedoch ist die Auslegung des BGB nicht abschließend entscheidend. Insbesondere bei einer über den Wortlaut hinausgehenden Interpretation scheinen die Regelungen hinreichend bestimmt und AGB-rechtlich wirksam, da sich der Sinn unzweifelhaft erschließen lässt: Es geht darum, dass die Trennung der Produkte, die verbunden, vermischt oder verarbeitet worden sind, nicht mehr vollzogen werden kann, dass – mit anderen Worten – eben das Erzeugnis des Versicherungsnehmers oder das im Erzeugnis des Versicherungsnehmers enthaltene Produkt eines Dritten in einer nicht mehr trennbaren Weise verbunden worden ist. Ob die Heraustrennung der mangelhaften Erzeugnisse des Versicherungsnehmers aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll erscheint, wird dabei – jedenfalls bei erkennbar gewollter, weiter Auslegung – nicht von Bedeutung sein.
Beispiel
Ein Zulieferer für die Düngemittelindustrie stellt Rizin aus der Rizinusbohne her. Dieses liefert er an den (End-)Hersteller, der das Rizin mit vielen anderen Zutaten in großen Silos vermengt und mit Knochenmehl zu Düngemittel verarbeitet. Eine Trennung der einzelnen Zutaten ist – nachdem das Düngemittel bereits in den Verkehr gebracht worden ist – nicht mehr möglich. Es stellt sich im Nachhinein heraus, dass das vermischte Rizin hochgradig toxisch war und es zu einem massiven Hundesterben kam, weil Hunde das Düngemittel zu sich nahmen.
Beispiel
Eine von einem Versicherungsnehmer gelieferte Druckfarbe trocknet nicht hinreichend. Die mit ihr hergestellten Pappschachteln kleben daher zusammen und sind unbrauchbar.
(2) Mangelhaftes Erzeugnis des Versicherungsnehmers
Rz. 70
Das mangelhafte Gesamtprodukt, das durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung entsteht, muss durch ein mangelhaftes Erzeugnis des Versicherungsnehmers entstanden sein. Dabei ist der Begriff des mangelhaften Erzeugnisses des Versicherungsnehmers weit auszulegen. Es geht – wie beim Sachmangelbegriff in § 434 BGB – um eine fehlerhafte Sache. Dabei wird zusätzlich auch auf Beratungsmängel abgestellt (vgl. Ziff. 4.2.1 S. 3); ein Mangel kann auch bei bestimmten Vereinbarungen über die verschuldensunabhängige Haftung vorliegen (Ziff. 4.2.1 Abs. 2). Voraussetzung ist jedoch, dass das Produkt tatsächlich "mangelhaft" ist. Es genügt nicht, dass ein bloßer Mangelverdacht vorliegt, wie sich dem eindeutigen Wortlaut entnehmen lässt.
Beispiel
Ein Abfüllbetrieb stellt fest, dass ein in Dosen abgefülltes limonadenhaltiges Getränk Pilzkeime enthielt, weil die Deckel nicht sauerstoffundurchlässig abgedichtet hatten. Den mangelhaften Deckel hatte ein Zulieferer mit den Dosen geliefert. Der Deckel war in einigen Fällen in der Tat mangelhaft und es war die Frage zu klären, ob und inwieweit andere Dosen betroffen sein konnten (mehrere Millionen Dosen). Ziff. 4.2 greift in diesem Fall nicht, da kein Mangel, sondern ein bloßer Mangelverdacht vorliegt.
Rz. 71
Was den Begriff des "Erzeugnisses des Versicherungsnehmers" angeht, ist der Begriff in Ziff. 4.2.1 definiert: Es handelt sich um Erzeugnisse des Versicherungsnehmers selbst oder um solche, die Versicherungsnehmer-Produkte enthalten (vgl. dazu die Begriffsbestimmung in Ziff. 4.1 ProdHM 2015 zu "Erzeugnissen", "Mängeln" und "zur Mangelhaftigkeit").
(3) Verbindung des mangelhaften Erzeugnisses des Versicherungsnehmers mit anderen Produkten (Dritter)
Rz. 72
Die "anderen Produkte" sind nicht dem Versicherungsnehmer zuzurechnende, ursprünglich mangelfreie Materialien Dritter.
(4) Mangelhaftes Gesamtprodukt
Rz. 73
Durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung eines mangelhaften Erzeugnisses des Versicherungsnehmers mit anderen Produkten (Dritter) muss ein mangelhaftes Gesamtprodukt entstanden sein. Ziff. 4.2 regelt die Fälle der Herstellung einer neuen mangelhaften (auch unbeweglichen) Sache (Gesamtprodukt). Das mangelhafte Gesamtprodukt ist das Resultat des Herstellungsprozesses, wobei das "Gesamtprodukt" im Modell nicht selbst definiert wird. Was den Mangel angeht, wird auf die Ausführungen zum mangelhaften Erzeugnis (§ 434 BGB) verwiesen.
Beispiel
Der Versicherungsnehmer liefert Leder für hochwertige Bucheinbände. Dieses Leder wird sodann von dem Abnehmer A des Versicherungsnehmers zu Bucheinbänden verarbeitet und an einen Verlag weiterveräußert, der die Bucheinbände für eine hochwertige Lexikon-Reihe ve...