(1) Mangelhaftes Gesamtprodukt eines Dritten
Rz. 99
Zunächst muss es infolge des Einbaus, des Anbringens, des Verlegens oder des Auftragens des mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnisses des Versicherungsnehmers zu einem mangelhaften Gesamtprodukt eines Dritten gekommen sein.
Rz. 100
Insofern ergibt sich – was die Formulierungen angeht – zum Begriff des "Mangels" oder auch zum Begriff des "Gesamtproduktes" nichts anderes als bereits bei den Deckungsbausteinen der Ziff. 4.2 und 4.3. Entscheidend ist, dass tatsächlich ein mangelhaftes Gesamtprodukt entstanden sein muss (vgl. § 434 BGB). Eingeschlossen sind nach Ziff. 4.4.1 Falschlieferungen, Beratungsmängel und Vereinbarungen über bestimmte Eigenschaften. Der Mangel muss tatsächlich vorliegen. Wichtig ist der Hinweis, dass der bloße Mangelverdacht vom Modell nicht erfasst wird. Dies ergibt sich ab dem ProdHM 2015 klarstellend aus Ziff. 4.1 Abs. 3: Mangelhaftigkeit i.S. dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. Falschlieferungen und Beratungsfehler stehen gleich.
Beispiel 1
Ein Stromversorgungsteilehersteller liefert Stromversorgungsteile zum Einbau an seinen Abnehmer für eine Rauchmeldeanlage. Der Abnehmer stellt daraus zusammen mit anderen Produkten eine Rauchmeldeanlage her. Jedes Teil kann für sich auseinandergeschraubt werden, ohne dass die jeweils anderen Zuliefererprodukte berührt werden. Es stellt sich heraus, dass einige Stromversorgungsteile fehlerhaft waren und Brände durch diese Rauchmeldeanlage ausgelöst werden konnten. Die Rauchmeldeanlage war damit mangelhaft.
Beispiel 2
Ein Hersteller von Luftreinigungsanlagen baut Luftfilter des Versicherungsnehmers, die er von diesem bezogen hat, in seine Anlagen ein. Aufgrund eines Fehlers an den Filtern müssen diese getauscht werden.
(2) Mangelhaftes Erzeugnis des Versicherungsnehmers
Rz. 101
Voraussetzung des Deckungsbausteines Ziff. 4.4.1 ist ferner ein vom Versicherungsnehmer mangelhaft hergestelltes oder geliefertes Erzeugnis. Hinsichtlich der Mangelhaftigkeit kann insoweit auf die obigen Ausführungen und auf § 434 BGB Bezug genommen werden. Erzeugnisse im hier zitierten und verstandenen Sinne sind ausweislich des weit gefassten Wortlauts nicht nur die Produkte des Versicherungsnehmers, sondern auch Produkte Dritter, die Produkte des Versicherungsnehmers enthalten (vgl. dazu die Definition in ProdHM 2015 Ziff. 4.1).
(3) Einbau/Anbringen/Verlegen/Auftragen
Rz. 102
Die soeben zitierten Begriffe werden vom Produkthaftpflicht-Modell selbst nicht definiert und finden auch – soweit feststellbar – keine erwähnenswerten Vorgaben in gesetzlichen Regelungen. Versuche, die einzelnen Begriffe genauer zu umschreiben, scheitern daher zwangsläufig. In dem Modell wird damit jedoch zugleich zum Ausdruck gebracht, dass es auf eine genaue Abgrenzung nicht ankommt; es genügt, dass ein mangelhaftes Gesamtprodukt entstanden ist und feststeht, dass eine Trennung der einzelnen Produkte tatsächlich möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Mit anderen Worten: Das gelieferte mangelhafte Erzeugnis muss vom Gesamtprodukt (wieder) getrennt werden können. Ist dies nicht der Fall, greift möglicherweise Baustein 4.2; ist dies jedoch möglich, bleibt es bei dem Deckungskonzept nach Ziff. 4.4.
(4) Sonstige Voraussetzungen
Rz. 103
Voraussetzung ist, dass aufgrund eines mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnisses des Versicherungsnehmers, durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen ein mangelhaftes Gesamtprodukt eines Dritten entstanden ist. Dies müsste ferner zu einem gesetzlichen Schadensersatzanspruch bei Dritten – also nicht zu Sachmängelhaftungsansprüchen, die von vorneherein auf einen Austausch gerichtet sind – geführt haben.
Rz. 104
Auf den Versicherungsfall bezogen heißt dies nach Ziff. 8.1 und 8.2.3, dass es für die Frage, wann der Versicherungsfall eingetreten ist, auf den Zeitpunkt des Einbaus des mangelhaften Erzeugnisses ankommt.