Rz. 95
Ziff. 4.4 gewährt Versicherungsschutz für gesetzliche "Schadensersatzansprüche" Dritter wegen Vermögensschäden, die infolge der Mangelhaftigkeit von Gesamtprodukten entstanden sind. Voraussetzung ist, dass die Mangelhaftigkeit des Gesamtprodukts durch den Einbau, das Anbringen, Verlegen oder Auftragen von mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen des Versicherungsnehmers entstanden ist.
Rz. 96
Der Aus- und Einbaukosten-Klausel des Modells (Ziff. 4.4) kommt in der Praxis die wohl höchste Bedeutung der verschiedenen Bausteine zu. Adressaten dieses Deckungsbausteins sind (End-)Hersteller und Lieferanten von Maschinenteilen, Aggregaten und Zubehörteilen, Rohren, aber auch Kabeln, von Baustoffen, sowie auch von sonstigen Fertigteilen, die im Rahmen der Weiterverarbeitung in andere (Gesamt-)Produkte eingesetzt werden, die aber – und darauf ist abzustellen – austauschbar bleiben. Beispiele: Stromkabel für Staubsauger, Heizspiralen für Tauchsieder, Dimmer für Trafos, Heckschlosslieferungen für Automobile, Transistoren für Rauchmeldeanlagen, Armaturen etc.
Rz. 97
Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu den Tatbeständen der Ziff. 4.2 ist in den Fällen der Ziff. 4.4 die Trennung der einzelnen Produkte tatsächlich möglich und wirtschaftlich auch sinnvoll.
Rz. 98
Nach dem Wortlaut der Ziff. 4.4 sind auch im Rahmen dieser Ziffer sog. echte bzw. "reine" Vermögensschäden in den Deckungsschutz einbezogen, die im Rahmen der konventionellen Betriebshaftpflichtversicherung grundsätzlich nicht gedeckt werden. Auch dieser Deckungsbaustein gliedert sich – wie auch schon Ziff. 4.2 und 4.3 – in zwei Teile, in die Deckungsvoraussetzungen (4.4.1) sowie die Folgen, dem enumerativ aufgeführten Umfang der gedeckten "echten" Vermögensschäden (Ziff. 4.4.2 mit einer deckungsrechtlich relevanten Besonderheit, nämlich der Mitversicherung nachbesserungsbedingter Austauschkosten, dazu sogleich, vgl. Ziff. 4.4.3).
aa) Voraussetzungen für das Eingreifen des Deckungstatbestands (Ziff. 4.4.1)
(1) Mangelhaftes Gesamtprodukt eines Dritten
Rz. 99
Zunächst muss es infolge des Einbaus, des Anbringens, des Verlegens oder des Auftragens des mangelhaft hergestellten oder gelieferten Erzeugnisses des Versicherungsnehmers zu einem mangelhaften Gesamtprodukt eines Dritten gekommen sein.
Rz. 100
Insofern ergibt sich – was die Formulierungen angeht – zum Begriff des "Mangels" oder auch zum Begriff des "Gesamtproduktes" nichts anderes als bereits bei den Deckungsbausteinen der Ziff. 4.2 und 4.3. Entscheidend ist, dass tatsächlich ein mangelhaftes Gesamtprodukt entstanden sein muss (vgl. § 434 BGB). Eingeschlossen sind nach Ziff. 4.4.1 Falschlieferungen, Beratungsmängel und Vereinbarungen über bestimmte Eigenschaften. Der Mangel muss tatsächlich vorliegen. Wichtig ist der Hinweis, dass der bloße Mangelverdacht vom Modell nicht erfasst wird. Dies ergibt sich ab dem ProdHM 2015 klarstellend aus Ziff. 4.1 Abs. 3: Mangelhaftigkeit i.S. dieser Regelung ist die tatsächliche Mangelhaftigkeit, nicht der Mangelverdacht. Falschlieferungen und Beratungsfehler stehen gleich.
Beispiel 1
Ein Stromversorgungsteilehersteller liefert Stromversorgungsteile zum Einbau an seinen Abnehmer für eine Rauchmeldeanlage. Der Abnehmer stellt daraus zusammen mit anderen Produkten eine Rauchmeldeanlage her. Jedes Teil kann für sich auseinandergeschraubt werden, ohne dass die jeweils anderen Zuliefererprodukte berührt werden. Es stellt sich heraus, dass einige Stromversorgungsteile fehlerhaft waren und Brände durch diese Rauchmeldeanlage ausgelöst werden konnten. Die Rauchmeldeanlage war damit mangelhaft.
Beispiel 2
Ein Hersteller von Luftreinigungsanlagen baut Luftfilter des Versicherungsnehmers, die er von diesem bezogen hat, in seine Anlagen ein. Aufgrund eines Fehlers an den Filtern müssen diese getauscht werden.
(2) Mangelhaftes Erzeugnis des Versicherungsnehmers
Rz. 101
Voraussetzung des Deckungsbausteines Ziff. 4.4.1 ist ferner ein vom Versicherungsnehmer mangelhaft hergestelltes oder geliefertes Erzeugnis. Hinsichtlich der Mangelhaftigkeit kann insoweit auf die obigen Ausführungen und auf § 434 BGB Bezug genommen werden. Erzeugnisse im hier zitierten und verstandenen Sinne sind ausweislich des weit gefassten Wortlauts nicht nur die Produkte des Versicherungsnehmers, sondern auch Produkte Dritter, die Produkte des Versicherungsnehmers enthalten (vgl. dazu die Definition in ProdHM 2015 Ziff. 4.1).
(3) Einbau/Anbringen/Verlegen/Auftragen
Rz. 102
Die soeben zitierten Begriffe werden vom Produkthaftpflicht-Modell selbst nicht definiert und finden auch – soweit feststellbar – keine erwähnenswerten Vorgaben in gesetzlichen Regelungen. Versuche, die einzelnen Begriffe genauer zu umschreiben, scheitern daher zwangsläufig. In dem Modell wird damit jedoch zugleich zum Ausdruck gebracht, dass es auf eine...