Rz. 139
Nach Ziff. 6.2.4 besteht kein Versicherungsschutz für Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer oder jeden Mitversicherten, soweit diese den Schaden durch bewusstes Abweichen von gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften sowie von schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers herbeigeführt haben. In früheren Regelungen, Ziff. 6.2.5 in den Modellen von 1973 bzw. 1987, war noch von "vorsätzlichem Abweichen" gesprochen worden. Schon diese Abänderung des Wortlauts zeigt, dass die Zielrichtung der heutigen Ziff. 6.2.4 eine andere ist, als bei dem in Ziff. 7.1 AHB enthaltenen Vorsatzausschluss. Ziff. 6.2.4 verfolgt unter anderem den Zweck, den Versicherungsnehmer gegenüber seinem potentiellen Vertragspartner zu disziplinieren. Meines Erachtens sollte man diese grundsätzlich anerkennenswerte Funktion nicht überschätzen, da die Bedeutung der Ziff. 6.2.4 nicht allzu hoch sein dürfte. Immerhin, die unterschiedlichen Ansätze in den jeweiligen Versicherungsbedingungen – AHB und Produkthaftpflicht – rechtfertigen die Annahme der Gleichrangigkeit oder Parallelität der Ziff. 7.1 AHB und der Ziff. 6.2.4 (statt Spezialität durch die Bestimmungen des Produkthaftpflichtmodells).
Zu betonen ist die Abweichung im Modell von § 103 VVG. Auch § 103 VVG ist dispositiv, abweichende Regelungen daher zulässig.
Rz. 140
Anders als in den AHB muss sich der Vorsatz nicht auf den Schaden, sondern auf die Tatbestandselemente der Ziff. 6.2.4 beziehen. Erforderlich ist Kausalität zwischen dem Verstoß gegen die Vorschrift und dem Schaden. Entscheidend ist, dass entweder von den gesetzlichen oder behördlichen Vorschriften oder von den schriftlichen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers bewusst abgewichen worden ist. Dieses "bewusste Abweichen" setzt voraus, dass dem Versicherungsnehmer die Existenz der Vorschrift tatsächlich bekannt war. Dabei ist – soweit feststellbar – strittig, inwieweit der Versicherungsnehmer oder der Versicherte die "Vorschriften" kennen musste. Ob Kenntnis des "ungefähren Regelungsgehaltes" genügt, um den sich der Versicherungsnehmer nicht kümmert, ist fraglich. Ungefähre Kenntnis vom Inhalt der Regelung dürfte genügen.
Rz. 141
Ein Beispiel für ein "bewusstes Abweichen" von einer schriftlichen Bedingung des Auftraggebers (2. Alternative der Ziff. 6.2.4):
Beispiel
Der Vertrag zwischen dem Kfz-Endhersteller und dem Versicherungsnehmer als Zulieferer sieht vor, dass der Zulieferer jeder Änderung des Produkts bzw. jeder Änderung der Herstellungsweise dem Pkw-Endhersteller gegenüber anzeigen und sich von diesem genehmigen lassen muss (sog. Änderungsvorbehalt). Wechselt der Versicherungsnehmer ohne Rücksprache mit seinem Auftraggeber seinerseits den Zulieferer und verändert er damit die Herstellungsweise, könnte dies ein Anwendungsfall der Ziff. 6.2.4 2. Alternative sein.
Rz. 142
Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt nach den bekannten allgemeinen Beweislastgrundsätzen der Versicherer.