Rz. 143
Nach Ziff. 6.2.5 S. 1 sind Ansprüche für Sach- und Vermögensschäden (also nicht von Personenschäden) durch Erzeugnisse, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt waren, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Schon die Formulierung zeigt, dass der Versicherer für das Eingreifen des S. 1 der Ziff. 6.2.5 beweisbelastet ist. Allerdings gilt dies nicht für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen. Aufgrund der Formulierung des S. 2 in Ziff. 6.2.5 ist für das Eingreifen dieser Ausnahme der Versicherungsnehmer beweisbelastet.
Rz. 144
Gegenstand der Ziff. 6.2.5 ist der Ausschluss des sog. Experimentier- oder Erprobungsrisikos vom Versicherungsschutz. Es ist nicht Aufgabe des Versicherers bzw. der Versichertengemeinschaft, etwaige Entwicklungsrisiken und daraus resultierende Folgen – also typische Unternehmerrisiken – zu finanzieren. Die Klausel gilt nicht nur bei gänzlichen Neuentwicklungen, sondern auch bei einer Weiterentwicklung von Produkten. In beiden Bereichen kommt ihr Bedeutung zu. Gerade bei heute häufig vorkommenden "Just-in-Time"-Lieferungen kommt es zu verkürzten Test- und Erprobungsphasen, die der Versicherungsnehmer nicht dem Versicherer anlasten können soll. Insbesondere bei kürzer werdenden Produktzyklen und abgekürzten Erprobungsphasen kommt es verstärkt zu Entwicklungsmängeln. Bereits die Anzahl von Entscheidungen, nur "eine Hand voll", zeigt, gemessen an den produkthaftpflichtversicherungsrechtlich publizierten wichtigen Entscheidungen, die Bedeutung dieser Klausel. Es handelt sich bei Ziff. 6.2.5 tatsächlich um einen Risikoausschluss, nicht lediglich um eine sog. verhüllte Obliegenheit.
aa) Stand der Technik
Rz. 145
Voraussetzung für das Eingreifen der Ziff. 6.2.5 ist, dass keine ausreichende Erprobung nach dem "Stand der Technik" vorliegt, oder die Erzeugnisse nicht "in sonstiger Weise" ausreichend erprobt waren. In den "älteren" Modellen von 1974 bis 1987 hatte der Versicherungsnehmer noch die "anerkannten Regeln der Technik oder Wissenschaft" einzuhalten. Die Modelle von 2000 und 2002 beinhalten noch den Begriff "Stand von Wissenschaft und Technik". Ziff. 6.2.5 spricht nunmehr (nur noch) vom "Stand der Technik" (auch im ProdHM 2025). Insbesondere die Regelung des § 3 Abs. 6 des Bundesimmissionsschutzgesetzes beschreibt den "Stand der Technik" (für dieses Gesetz) – im Anschluss an die Arbeit von Marburger – wie folgt:
Rz. 146
Zitat
"Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes (BImSchG) ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die im Anhang aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen."
Rz. 147
Aber weder Marburger und ebenso wenig das Bundesverfassungsgericht haben den Begriff des "Stands der Technik" letztendlich durchdrungen. Der Begriff ist eben nicht leicht zu umreißen. Es ist ein unbestimmter, kein "feststehender" Rechtsbegriff. Nach Marburger erfassen die "allgemein anerkannten Regeln der Techni...