Rz. 204

BGH, Urt. v. 9.1.2018 – VI ZR 82/17, juris

Zitat

ZPO § 511, BGB § 249

1. Eine nur beschränkte Zulassung der Berufung ist unter denselben Voraussetzungen wie die beschränkte Zulassung der Revision zulässig (Anschluss BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – V ZB 40/09, NJW RR 2009, 1431 Rn 10).

2. Der Berechnung des für die ersatzfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten maßgeblichen Gegenstandswerts ist auch dann nur die letztlich objektiv berechtigte Schadensersatzforderung zugrunde zu legen, wenn der Geschädigte die Reparaturkosten fiktiv auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Gutachtens abrechnet und ihn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer sodann mit Erfolg auf eine ohne weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweist (Fortführung Senatsurt. v. 5.12.2017 – VI ZR 24/17 Rn 5 ff.).

3. Unerheblich ist insoweit, ob der Verweis vor oder nach der Beauftragung des Rechtsanwalts oder Geltendmachung des Anspruchs erfolgt und ob der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts davon ausgegangen ist und ausgehen durfte, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet (Fortführung Senatsurt. v. 5.12.2017 – VI ZR 24/17 Rn 5 ff.).

a) Der Fall

 

Rz. 205

Die Parteien stritten um Ansprüche auf Erstattung restlicher vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nach einem Verkehrsunfall.

Der Pkw des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall im April 2015 beschädigt. Für den dem Kläger dabei entstandenen Schaden hatte die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach voll einzustehen. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten über die an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden ein. In diesem wurden die für eine sach- und fachgerechte Reparatur der unfallbedingten Schäden notwendigen Kosten mit einem Nettobetrag von 1.209 EUR ausgewiesen. Für die Erstattung des Gutachtens wurden dem Kläger 491,47 EUR brutto in Rechnung gestellt.

 

Rz. 206

Im Mai 2015 wandte sich der Kläger mit anwaltlichem Schreiben an die Beklagte und forderte diese auf, ihm als "Reparaturkostenaufwand/netto" 1.209 EUR sowie eine Unfallnebenkostenpauschale von 20 EUR zu bezahlen und die Rechnung des Sachverständigen direkt diesem gegenüber zum Ausgleich zu bringen. Ihre eigenen Kosten berechneten die vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 1.720,47 EUR mit brutto 255,85 EUR und baten die Beklagte, die entsprechende Kostenrechnung ihnen gegenüber auszugleichen.

 

Rz. 207

Die Beklagte verwies den Kläger auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit und erstattete ihm lediglich 754,51 EUR an Reparaturkosten; gegen die damit vorgenommene Kürzung der von ihm zunächst verlangten Reparaturkosten wandte sich der Kläger nicht. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sah die Beklagte nur in Höhe von 397 EUR als ersatzfähig an. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattete sie dem Kläger schließlich nach einem Gegenstandswert von 1.171,51 EUR mit 201,71 EUR.

 

Rz. 208

Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich den Ersatz weiterer Sachverständigenkosten von 94,47 EUR sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 54,14 EUR verlangt. Das Amtsgericht hat die Beklagte dazu verurteilt, den Kläger von weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 32,26 EUR freizuhalten, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil insoweit abgeändert, als es die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 59,21 EUR verurteilt hat; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wandte sich der Kläger alleine gegen die Zurückweisung seiner Berufung in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 209

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war der Revision der Erfolg allerdings nicht bereits deshalb versagt, weil das Amtsgericht die Berufung nur beschränkt auf die vom Kläger in den Vorinstanzen ebenfalls geltend gemachten Sachverständigenkosten zugelassen hätte. Zwar wird eine nur beschränkte Berufungszulassung unter denselben Voraussetzungen für zulässig erachtet wie die beschränkte Revisionszulassung. Dem Urteil des Amtsgerichts ließ sich aber bereits der Wille, die im Revisionsverfahren streitgegenständlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von der Berufungszulassung auszunehmen, nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Insbesondere ergab sich die Beschränkung nicht daraus, dass das Amtsgericht zur Begründung der – im Tenor nicht beschränkten – Zulassung der Berufung ausgeführt hatte, die Voraussetzungen der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 511 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Var. 1 ZPO seien bezüglich der Frage, in welcher Höhe Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall zu erstatten sind, erfüllt. Denn die ersatzfähigen Sachverständigenkosten sind – auch nach Auffassung des Amtsgerichts – be...

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