Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
a) Einkommensteuer
Rz. 45
Zivilrechtlich wird das Treugut (Sachen, Rechte und Schulden eines einzelkaufmännischen Unternehmens oder Gesellschaftsanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters) zwar aufgrund des Treuhandverhältnisses auf den Treuhänder übertragen, (ertrag)steuerlich wird das Treugut aufgrund der besonderen Zurechnungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO jedoch weiterhin dem Treugeber, also dem oder den Erben als (Sonder-)Betriebsvermögen zugerechnet. Der zivilrechtliche Übertragungsakt als solcher ist also ertragsteuerneutral, führt also nicht etwa zu einem Entstrickungstatbestand. § 6 Abs. 3 EStG braucht nicht mehr geprüft zu werden. Die Begründung einer Vollrechtstreuhand ist somit einkommensteuerlich unproblematisch.
Rz. 46
Komplexere Fragestellungen treten aber insbesondere dann auf, wenn aus der gewerblichen Einkunftsquelle Verluste entstanden sind, die der Erblasser noch nicht im Wege eines horizontalen oder vertikalen Verlustausgleichs nutzen konnte. Noch nicht genutzte (gewerbliche) Verlustvorträge werden – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 15a EStG – nach § 10d Abs. 4 S. 1 EStG gesondert festgestellt. Ungeachtet der Begründung einer Innengesellschaft bleiben die Gesellschafter dieser Innengesellschaft Subjekte der Einkünftezurechnung nur mit der Besonderheit, dass der Vollrechtstreuhänder nunmehr ein gewerbliches Unternehmen für Rechnung aller Gesellschafter betreibt bzw. in dieser Eigenschaft einen Anteil als persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft hält. Die Begründung einer Vollrechtstreuhand als solche hat keinen direkten Einfluss auf die einkommensteuerliche Nutzbarkeit von durch den Erblasser ungenutzten Verlustvorträgen. Hier ist auf die umstrittenen Grundsätze zurückzugreifen, wonach der oder die Nachfolger die vom Erblasser noch nicht genutzten Verluste nicht im Rahmen ihrer eigenen Einkünfteermittlung geltend machen können.
b) Gewerbesteuer
Rz. 47
Bei der Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen wird nach hier vertretener Auffassung vergleichbar einer atypisch stillen Gesellschaft eine Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG zwischen dem Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker und dem oder den Treugeber-Erben begründet.
Rz. 48
Sachlich gewerbesteuerpflichtig wird diese Mitunternehmerschaft (§ 2 Abs. 2 S. 1 GewStG), während sich die persönliche Steuerpflicht (Steuerschuldnerschaft, § 5 Abs. 1 GewStG) auf den Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker als "Inhaber des Handelsgeschäfts" verlagert. Ihm gegenüber sind demnach auch die verfahrensrechtlichen Handlungen vorzunehmen. Selbst wenn man, wie die h.M., nur den oder die Treugeber-Erben weiterhin als Unternehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 GewStG ansieht, so bleibt doch der Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker als die nach außen hin auftretende Person dem Fiskus als Bevollmächtigter und Verfügungsberechtigter des Unternehmers i.S.d. §§ 34 Abs. 1, 69 AO verpflichtet.
Rz. 49
Mit dem Tod des Erblassers endet dessen sachliche Steuerpflicht nach § 2 Abs. 5 S. 1 GewStG. Durch die Begründung einer Vollrechtstreuhand an dem im Erbwege übergegangenen einzelkaufmännischen Unternehmen bildet sich ein neues Gewerbesteuerobjekt.
Rz. 50
Hingegen lässt eine Vollrechtstreuhand an dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft die ohnehin schon bestehende persönliche und sachliche Gewerbesteuerpflicht der Personengesellschaft als solche grundsätzlich unberührt. Hier wird die Innengesellschaft zwischen Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker und dem oder den Treugeber-Erben sozusagen im Hintergrund begründet, ohne dass dies auf das steuerliche Außenverhältnis der schon existierenden Personengesellschaft durchschlägt.
Rz. 51
Unabhängig von der Begründung einer Vollrechtstreuhand kann ein vorhandener Verlustvortrag nach § 10a GewStG aus einem einzelkaufmännischen Unternehmen nicht mehr genutzt werden. Da Träger des Rechts auf Verlustabzug der einzelne Gesellschafter und nicht die Personengesellschaft selbst ist, gilt dies gleichermaßen für den anteilig auf den verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafter entfallenden Gewerbeverlust.