Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 78
Das Erbschaftsteuergesetz hält an verschiedenen Stellen Regelungen bereit, unter die sich die Zwangsabtretung von Geschäftsanteilen im Todesfalle eines Gesellschafters subsumieren ließe (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG vs. § 10 Abs. 10 S. 2 Alt. 1 ErbStG i.V.m. § 7 Abs. 7 S. 3 ErbStG). Bedingt durch komplexe Abgrenzungsfragen wird die Rechtsanwendung dadurch nicht erleichtert. Alle Regelungen sind unabhängig von der Frage ihrer Anwendbarkeit jedoch darin identisch, dass sie entgegen dem gesellschaftsrechtlichen Schutzbedürfnis einen fingierten Erwerb der Anteilserwerber (Mitgesellschafter) in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) und der zu leistenden Abfindung unterstellen, mithin ein subjektiver Bereicherungswille entbehrlich ist.
Rz. 79
Die Kommentatoren sind sich uneins, was die Anwendbarkeit der entsprechenden Normen betrifft. Mit guten Gründen wird beispielsweise vorgetragen, dass § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG auf die Fälle der Zwangsabtretung nicht anwendbar sei. Nach dieser Auffassung wird die Zwangsabtretung einzig und allein durch das Zusammenspiel von § 10 Abs. 10 S. 2 Alt. 1 ErbStG i.V.m. § 7 Abs. 7 S. 3 ErbStG geregelt mit der Folge, dass nur Zwangsabtretungen von dem oder den Erben an Mitgesellschafter aufgrund der speziellen Gesetzesregelungen tatbestandsmäßig sind. Klammert man die Problematik der Zwangsabtretung an die Gesellschaft selbst oder an Dritte wegen deren eher nachrangigen Bedeutung aus und konzentriert man sich auf die in der Praxis häufig anzutreffenden Zwangsabtretungsklauseln zugunsten von Mitgesellschaftern, stellt sich bei ausschließlicher Anwendbarkeit von § 10 Abs. 10 S. 2 Alt. 1 i.V.m. § 7 Abs. 7 S. 3 ErbStG zudem noch die weitere Frage, ob der oder die Mitgesellschafter vom Erblasser oder von dem oder den Erben erwerben. Nach dem Rechtsgedanken des § 13a Abs. 5 ErbStG sollte man prinzipiell davon ausgehen können, dass der oder die den Anteil erwerbenden Mitgesellschafter berechtigt sind, die Betriebsvermögensbegünstigungen (§§ 13a–13c, 19a, 28a ErbStG) aufgrund ihres Verhältnisses zum Erblasser in Anspruch zu nehmen. Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 7 ErbStG scheint dies jedoch nicht sicher zu sein, da dort nur Schenkungen unter Lebenden, also Erwerbe im Verhältnis zwischen dem oder den Erben und den Mitgesellschaftern geregelt sein können. Würde die Kette für die Inanspruchnahme von Betriebsvermögensbegünstigungen dadurch unterbrochen, kann sich dies erheblich nachteilig auswirken.
Rz. 80
Auch die Aussagen der Finanzverwaltung geben leider keine Orientierung, da einerseits eine Schenkung auf den Todesfall an die Gesellschafter bzw. Gesellschaft vorliegen soll, an anderer Stelle jedoch wieder eine fiktive Schenkung unter Lebenden an die Mitgesellschafter.
Zusammenfassend kann im Kontext mit Abtretungsklauseln festgestellt werden, dass gesellschaftsvertraglich legitimierte bzw. vorgegebene Abtretungen an Mitgesellschafter im Zusammenspiel mit Abfindungsbeschränkungen weichender Erben prinzipiell geregelt sind, wenn auch in diesem Regelungsdickicht leider keine klare Linie erkennbar ist. Die Begünstigungsfähigkeit für die den Anteil erwerbenden Mitgesellschafter nach den §§ 13a–c, 19a, 28a ErbStG ist ebenfalls eröffnet. Gleichwohl bedarf jedoch jeder Einzelfall vor dem Hintergrund der in der Literatur aufgeworfenen Fragen einer intensiven Analyse und entsprechenden Positionierung in der Gestaltungsberatung.