Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 27
Die Fälle, in denen der Erblasser zu Lebzeiten Einkünfte und/oder Erträgnisse hinterzogen hat, sind in der Erbrechtspraxis nicht gerade selten. Das Entdeckungsrisiko ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Strafrechtlich stellt sich i.d.R. kein Problem, weil der eigentliche Täter – der Erblasser – verstorben ist und eine etwaige strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht "vererbt" werden kann.
Rz. 28
Problematisch kann es jedoch für den Testamentsvollstrecker im Hinblick auf die Erbschaftsteuererklärung werden. Häufig wird diese Erklärung abgegeben in dem guten Glauben, alle Vermögenswerte seien erfasst, später stellt sich jedoch beispielsweise Auslandsvermögen heraus. Die Erklärung ist falsch, folglich ist sie nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 AO vom Testamentsvollstrecker zu berichtigen. Andernfalls läuft der Testamentsvollstrecker Gefahr, sich selbst wegen (vorsätzlichem) Verstoß gegen eine Erklärungspflicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar zu machen. Hierdurch kann im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Ablaufhemmung, insbesondere § 171 Abs. 7 AO, eine auch über zehnjährige Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO ausgelöst werden.
Rz. 29
Gleiches gilt, wenn dem Testamentsvollstrecker Unregelmäßigkeiten in der Einkommensteuererklärung oder sonstigen Steuererklärungen des Erblassers auffallen. Auch hier ist unter Berücksichtigung der Festsetzungsfrist nach § 153 AO zu berichtigen.
Flankiert werden die steuerstrafrechtlichen Risiken durch Haftungsgefahren für hinterzogene bzw. verkürzte Steuern nach §§ 69, 71 AO.
Praxishinweis
Keinesfalls sollte der Testamentsvollstrecker beim Bestehen einer Berichtigungspflicht dem Drängen der Erben nach weiterem Verschweigen nachgeben. Gerade der Erbfall mit seiner Vielzahl von Meldepflichten birgt die besonders große Gefahr, dass Steuersünden der Vergangenheit aufgedeckt werden. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die Finanzverwaltung dazu neigt, bestimmte Berufsgruppen – selbst wenn sie in einer Anstalt des öffentlichen Rechts arbeiten – von vornherein unter den Generalverdacht einer Steuerhinterziehung zu stellen.
Beispiel
(aus einer anonymisierten Einspruchsentscheidung)
Der Erblasser "war als Bankkaufmann bei der Kreisparkasse (...) beschäftigt. (...) Aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Erblassers und dem Vorgehen bei der Geldanlage im Ausland bestehen für das Finanzamt keine Zweifel daran, dass der Erblasser eine Steuerhinterziehung begangen hat."
Eine juristische Subsumtion ist ausgeblieben. Das Finanzamt gab noch nicht einmal zu erkennen, ob ihm überhaupt bewusst ist, dass ein strafrechtlicher Unrechtsvorwurf neben der Verwirklichung eines objektiven Tatbestandes die Feststellung des subjektiven Tatbestandes erfordert. Das gegen die Ehefrau des Erblassers geführte Strafverfahren war übrigens gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt worden, wobei im vorliegenden Fall auch noch offengelassen wurde, welche Tatmodalität der Erblasser verwirklicht haben soll.
Rz. 30
Jeder Testamentsvollstrecker, insbesondere derjenige, der in seiner sonstigen beruflichen Praxis nicht täglich mit der Finanzverwaltung zu tun hat, ist daher gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass im Besteuerungsverfahren eine unvoreingenommene Prüfung der Sach- und Rechtslage stattfindet. Gefährlich werden kann die Situation aber auch für einen versierten steuerlichen Berater. Denn auch er kann sich als Testamentsvollstrecker wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen aufgrund unterlassener Berichtigung strafbar machen.
Rz. 31
Insbesondere dann, wenn sich in dem vom ihm verwalteten Nachlass verschwiegenes Vermögen des Erblassers im Ausland befindet, gerät der Testamentsvollstrecker ins Visier der Steuerfahndung. Grund sind unter anderem das gestiegene Entdeckungsrisiko verborgenen Vermögens, die Weißgeldstrategie der Banken und die Verschärfung des Steuerrechts. Neben dem steuerstrafrechtlichen Risiko sieht sich der Testamentsvollstrecker auch erhöhten Haftungsgefahren ausgesetzt. Bei einem steuerlich problematischen Nachlass kommt der Testamentsvollstrecker nicht umhin, gegenüber dem Finanzamt das Vorhandensein der bisher nicht deklarierten Einkünfte und Erwerbe des Erblassers aufzudecken. Andernfalls läuft er Gefahr, selber eine Steuerhinterziehung zu begehen bzw. der steuerlichen Haftung ausgesetzt zu sein. Hinzu treten erhebliche, ihn persönlich treffende Auflagenzahlungen gemäß § 398a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AO in den Fällen, in denen Straffreiheit nicht mehr eintreten kann.
Praxishinweis
Soweit teilweise überlegt wird, zur Vermeidung der Aufdeckung von Schwarzgeld durch den Testamentsvollstrecker die Testamentsvollstreckung gegenständlich zu beschränken, bspw. durch Herausnahme bestimmter Vermögenswerte aus der Testamentsvollstreckung (vgl. § 2208 BGB), dürfte in der Praxis das Aufklärungsbedürfnis der Finanzverwaltung eher noch herausgefordert werden.
Rz. 32
Gleichwohl ist zu konstatieren, dass die ...