Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
1. Ausgangsüberlegungen
Rz. 38
Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung sind Einkünfte der Person zuzurechnen, die sie "erzielt". Einkünfte sind demnach demjenigen zuzurechnen, der den konkreten Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt. Bei gewerblichen Betrieben ist dies derjenige, der als (Mit-)Unternehmer mit eigener Initiative und eigenem Risiko wirtschaftet. Bei der Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen oder an einem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters ist denkbar, dass
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nur der Testamentsvollstrecker (Mit-)Unternehmer wird, |
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nur der oder die Erben (Mit-)Unternehmer werden, |
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beide zusammen – vergleichbar einer atypisch stillen Gesellschaft oder atypischen Unterbeteiligung – Mitunternehmer werden. |
Rz. 39
Während in der Literatur im Wesentlichen unter Rückgriff auf ein Urteil des BFH aus dem Jahre 1995 die Auffassung vertreten wird, dass für den Regelfall nur der oder die Erben (Mit-)Unternehmer werden, wird hier davon ausgegangen, dass der Testamentsvollstrecker mit dem oder den Erben vergleichbar einer atypisch stillen Gesellschaft oder atypischen Unterbeteiligung eine Innengesellschaft bildet. Damit würden sowohl der Testamentsvollstrecker in seiner Eigenschaft als Vollrechtstreuhänder als auch der oder die Treugeber-Erben gemeinsam gewerbliche Einkünfte erzielen. Dies gilt entsprechend für die übrigen Gewinneinkünfte gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG.
Vom Ergebnis her bleibt dies im Vergleich zur gängigen Auffassung jedoch ohne Konsequenzen, denn letztlich werden Gewinne, Verluste und Verlustausgleichsmöglichkeiten nur dem oder den Treugeber-Erben zugerechnet.
Rz. 40
Mit dem zitierten Urteil aus dem Jahre 1995 hat der BFH entschieden, dass ein Kommanditist auch dann Mitunternehmer bleibt, wenn der ihm testamentarisch vermachte Kommanditanteil einer auch zivilrechtlich zulässigen (treuhänderischen) Verwaltungstestamentsvollstreckung unterliegt. Keine Aussage hingegen hat der BFH – da nicht entscheidungserheblich – zur ertragsteuerlichen Behandlung des Testamentsvollstreckers getroffen. Ebenso ist die eher passive Testamentsvollstreckung über einen Kommanditanteil nicht mit einer aktiven Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen oder an einem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft vergleichbar.
Rz. 41
(Mit-)Unternehmer ist, wer Unternehmerinitiative entfalten kann und Unternehmerrisiko trägt. Dabei ist (Mit-)Unternehmer diejenige Person, nach deren Willen und auf deren Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in ihrem Vermögen unmittelbar niederschlägt. Beide Zurechnungskriterien (Initiative und Risiko) müssen vorliegen, können jedoch im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein.
Rz. 42
Während der Testamentsvollstrecker im Außenverhältnis – zwar pflichtgebunden, jedoch mit weitreichender Handlungs- und Entscheidungsfreiheit – "Herr des Geschehens" wird und somit in seiner Person (Mit-)Unternehmerinitiative entfaltet, tragen der oder die Erben aufgrund ihrer mittelbaren Haftung das hauptsächliche (Mit-)Unternehmerrisiko. Gerade in der Person des Testamentsvollstreckers hat der Erblasser eine Person seines Vertrauens gesucht, die seine eigenen unternehmerischen Interessen weiterverfolgen soll. Besonders deutlich wird dies, wenn jüngeren und meist noch geschäftlich unerfahrenen Erben ein Testamentsvollstrecker auch im unternehmerischen Bereich zur Seite gestellt wird. Er soll und kann als "verlängerter Arm" des Erblassers handeln, bekleidet also nicht nur eine formale Rechtsposition. Seine (Mit-)Unternehmerinitiative kristallisiert sich in diesem Fall sehr deutlich heraus.
Rz. 43
Der Testamentsvollstrecker trägt ungeachtet eines Freistellungsanspruchs im Innenverhältnis aber auch (Mit)Unternehmerrisiko, da er als Treuhänder zunächst unbeschränkt und unbeschränkbar im Außenverhältnis haftet und ebenso Haftungsrisiken im Innenverhältnis beispielsweise aus § 2219 BGB ausgesetzt ist. Ebenso können natürlich die Erben (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten, da ihnen in aller Regel Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte verbleiben.
Rz. 44
Testamentsvollstrecker und Erbe(n) bilden aufgrund ihrer gleichgerichteten Interessen somit steuerlich eine Innengesellschaft, die es nach hier vertretener Ansicht rechtfertigt, bei der Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen und an einem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft in den Kernbereichen auf die ertragsteuerlichen Grundsätze einer atypisch stillen Gesellschaft oder atypischen Unterbeteiligung zu rekurrieren.
Für die einzelnen Phasen
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Begründung der Vollrechtstreuhand |
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laufende Geschäftstätigkeit bei Vollrechtstreuhand |
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Beendigung der Vollrechtstreuhand |
ergeben sich für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer die nachfolgend dargestellten Besonderheiten.