Rz. 47
Da der Treuhänder Interessen des Treugebers wahrzunehmen hat, sind dessen Weisungen grds. bindend (vgl. § 2 Rdn 347, § 4 Rdn 24 f.); dies gilt auch für geänderte Weisungen (§§ 665, 675 Abs. 1 BGB). Der Treuhänder darf Weisungen aber nicht blindlings folgen. Bergen sie eine Gefahr für den Treugeber, etwa weil sie unklar oder sachwidrig sind oder veränderten Verhältnissen nicht entsprechen, hat der Treuhänder den Treugeber zu warnen. Der Treuhänder ist zur Abweichung von einer Weisung berechtigt, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Treu-(Auftrag-)geber dies bei Kenntnis der Sachlage billigen würde (§§ 665 Satz 1, 675 Abs. 1 BGB).
Da jede weisungswidrige Verwendung des Treuguts zu einer Schadensersatzpflicht des Treuhänders führen kann, sollte der Treuhänder vor einer Abweichung dem Treugeber Anzeige machen und dessen Entschließung abwarten, falls mit einer solchen Verzögerung keine Gefahr verbunden ist (§§ 665 Satz 2, 675 Abs. 1 BGB). Bleibt dem Treuhänder keine Zeit für eine Rückfrage beim Treugeber, so muss er den Treuhandzweck im wohlverstandenen Interesse des Treugebers verfolgen. In jedem Fall hat der Treuhänder den Treugeber zu benachrichtigen, wenn er von einer Weisung abgewichen ist (§§ 666, 675 Abs. 1 BGB).
Rz. 48
Schwierig kann die Aufgabe des Treuhänders werden, wenn er gegenläufige Belange mehrerer Personen wahrzunehmen hat (mehrseitige Treuhand) und diese einander widersprechende Weisungen erteilen (vgl. §§ 57 ff. BeurkG). Dies kann der Fall sein nach dem Nichteintritt von Vertragsbedingungen, nach Leistungsstörungen oder wegen einer Änderung der Umstände nach Vertragsschluss (z.B. Abtretung, Verpfändung oder Pfändung des Anspruchs; Insolvenz eines Beteiligten); infolgedessen kann ein Beteiligter im Gegensatz zu anderen den Vertrag für unwirksam halten, sich vom Vertrag lossagen oder dessen Abwicklung mit Einwendungen und Einreden behindern. Daraus ergeben sich bei der – privatrechtlichen – Anwaltstreuhand ähnliche Probleme wie bei der – öffentlichrechtlichen – Notartreuhand. In einer solchen Lage sollte der Rechtsanwalt als Treuhänder im eigenen Interesse Vorsicht walten lassen. Häufig werden die tatsächlichen und/oder rechtlichen Fragen, die sich wegen gegensätzlicher Weisungen stellen, nicht eindeutig zu beantworten sein. Verbleiben Zweifel, sollte sich der Treuhänder vor jeder Eigenmächtigkeit hüten; er darf nicht nach eigenem Gutdünken voneinander abweichende Weisungen in Einklang bringen, weil dies i.d.R. zulasten eines Beteiligten geht. Der Treuhänder sollte die Beteiligten, die er von den gegensätzlichen Weisungen zu benachrichtigen hat (§§ 666, 675 Abs. 1 BGB), zu einer einvernehmlichen Lösung auffordern. Die Beteiligten können die verschiedenen Weisungen einander anpassen oder eine Vertragsänderung vereinbaren; dazu kann eine Verpflichtung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestehen. Einigen sich die Beteiligten nicht, so kann der Treuhänder sie auf einen Rechtsstreit verweisen. Die Möglichkeiten einer Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB) können bei einer Anwaltstreuhand genutzt werden. Notfalls muss der Anwaltstreuhänder den Geschäftsbesorgungsvertrag kündigen.