1. Anspruchsgrundlage
Rz. 44
Bei F1 soll im Fallbeispiel ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehen.
2. Bedarf der F1
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1
aa) Kein Vorwegabzug des Kindesunterhalts aus zweiter Ehe
Rz. 45
Das Kind K1 ist aus der zweiten Ehe (nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren) und hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
Der Kindesunterhalt ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen (vgl. im Einzelnen Fall 41; siehe § 12 Rdn 1 ff.).
bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2
Rz. 46
F2 ist zwar vorrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung.
Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt. Eine Berücksichtigung mit dem Argument der "Wandelbarkeit der ehelichen Verhältnisse" hat das BVerfG abgelehnt.
Der Unterhalt für die zweite Ehefrau ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen (vgl. im Einzelnen Fall 41; siehe § 12 Rdn 1 ff.).
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).
Hinweis
Bei der Bestimmung des Bedarfs der zweiten Ehefrau wird der Unterhalt für die erste Ehefrau aber zu berücksichtigen sein.
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 47
Bereinigtes Nettoeinkommen der F1: 1.000 EUR
Erwerbstätigenbonus F1: 1.000 EUR × 10 % = 100 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen: 1.000 – 100 EUR = 900 EUR
c) Keine Bestimmung des Bedarfs von F1 nach der Dreiteilungsmethode
Rz. 48
Die Dreiteilungsmethode kommt hier nicht zur Anwendung (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 8 ff.).
d) Halbteilungsgrundsatz
Rz. 49
Der Bedarf von F1 ist also unabhängig vom Unterhaltsanspruch der F2 und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes aus zweiter Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 19).
Vom Einkommen des M ist lediglich der Erwerbstätigenbonus abzuziehen.
Bereinigtes Nettoeinkommen des M: 2.000 EUR
Erwerbstätigenbonus M: 2.000 EUR × 10 % = 200 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen M: 2.000 – 200 EUR = 1.800 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1: 900 EUR
Bedarfsermittlung nach der Halbteilungsmethode
Bedarf von F1 ist ½ aus 2.700 EUR (1.800 + 900 EUR) = 1.350 EUR
3. Ungedeckter Restbedarf der F1 (Unterhaltshöhe)
Rz. 50
Ungedeckter Restbedarf von F1 = Bedarf abzüglich (das um den Erwerbstätigenbonus gekürzte) Eigeneinkommen
Rechnerischer Unterhaltsanspruch der F1: 450 EUR (1350 – 900 EUR)
4. Leistungsfähigkeit des M
Rz. 51
M hätte 450 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen.
Ihm blieben 1.550 EUR (2.000 – 450 EUR) aus dem der Kindesunterhalt (286,50 EUR) und auch der Unterhalt für die kinderbetreuende F2 aufzubringen wäre.
Solche Unterhaltspflichten können Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben.
§ 1581 Leistungsfähigkeit
Ist der Verpflichtete nach seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren, so braucht er nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Den Stamm des Vermögens braucht er nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.
Eine weitere Unterhaltspflicht kann eine sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1581 sein.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09
Eine sonstige Verpflichtung in diesem Sinne ist auch eine weitere Unterhaltspflicht. Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Bemessung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen eine Unterhaltspflicht gegenüber einem nachfolgenden Ehegatten nicht berücksichtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 437). Darauf, dass die Unterhaltspflicht erst nach der Scheidung entstanden ist und sie mit der geschiedenen Ehe und deren Lebensverhältnissen nicht vereinbar ist, kommt es bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit aber nicht an.
a) Kindesunterhalt als sonstige Verpflichtung
Rz. 52
Zunächst kann der Kindesunterhalt berücksichtigt werden.
b) Ehegattenunterhalt für F2 als sonstige Verpflichtung?
aa) Kein Nachrang der F2
Rz. 53
Eine nachrangige zweite Ehefrau könnte unberücksichtigt bleiben. Die neue Ehefrau muss also vorrangig oder zumindest gleichrangig sein.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09
Allerdings muss es sich bei dem hinzugetretenen Unterhalt um eine dem Geschiedenenunterhalt zumindest gleichrangige Verpflichtung handeln (Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09).
§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhalts...