Fall 41: M 3.000 EUR + F2 0 EUR + K (2 J) – F1 500 EUR – Ehegattenunterhalt; zweite Ehefrau betreut gemeinsames Kind –
Rz. 1
Die Ehe von M und F1 wurde nach kurzer Dauer geschieden. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. M ist nunmehr mit F2 verheiratet. Aus der Ehe ist das zweijährige Kind K hervorgegangen. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.000 EUR. F1 hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 500 EUR. F1 kann kein höheres Einkommen erzielen. F2 hat kein Einkommen; sie betreut das zweijährige Kind. F1 verlangt von M Unterhalt.
I. Kindesunterhalt
Rz. 2
Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1) verwiesen.
Rz. 3
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.000 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 4 (2.701 – 3.100 EUR) zur Anwendung. Es sind 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Die DT geht von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Eine Herabstufung um eine Gruppe Einkommensgruppe 3 (2.301 – 2.700 EUR) ist deshalb geboten.
Rz. 4
Kind K ist 2 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 1. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 436 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K beträgt somit 326,50 EUR (436 – 109,50 EUR).
II. Ehegattenunterhalt für F1
1. Anspruchsgrundlage
Rz. 5
Bei F1 soll im Fallbeispiel ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehen.
2. Bedarf der F1
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1
aa) Kein Vorwegabzug des Unterhalts für das Kind aus zweiter Ehe
Rz. 6
Das Kind K ist aus der zweiten Ehe und somit nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren. Der Unterhalt für das Kind hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt.
Rz. 7
Das BVerfG hat hierzu in seiner Entscheidung, mit der die "Wandelbarkeit" der ehelichen Verhältnisse verneint wurde, nicht ausdrücklich Stellung genommen. Das BVerfG hat offen gelassen, ob nachehelich geborene Kinder einen Bezug zu den ehelichen Lebensverhältnissen haben, der eine Berücksichtigung des Unterhalts bei der Bedarfsbestimmung der geschiedenen Ehefrau gestattet (vgl. hierzu Fall 33, siehe § 9 Rdn 1).
Rz. 8
Ausdrücklich abgelehnt hat das BVerfG nur die Berücksichtigung von Ehegattenunterhalt. Jedoch wurde vom BGH zwischenzeitlich entschieden, dass für die ehelichen Lebensverhältnisse auf die Rechtskraft der Scheidung im Sinne eines Stichtages abzustellen ist.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB werden grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind (Stichtagsprinzip). Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2011, 437).
Rz. 9
Der Stichtag ist somit auch für die Berücksichtigungsfähigkeit neuer Unterhaltspflichten maßgebend.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Nach dem Stichtagsprinzip werden die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich jedenfalls durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eintreten. Hierbei ist grundsätzlich auch das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter bis zur rechtskräftigen Ehescheidung zu berücksichtigen.
Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats sowohl für gemeinsame Kinder als auch für Kinder des Unterhaltspflichtigen aus einer neuen Beziehung, die bereits vor Rechtskraft der Ehescheidung geboren sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Kinder inzwischen volljährig und nach § 1609 Nr. 4 BGB gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nachrangig sind. Dies gilt auch für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB, den die Mutter eines vor Rechtskraft der Ehescheidung geborenen nichtehelichen Kindes schon während der Ehezeit von dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten verlangen kann.
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
Auch der Vorteil des Zusammenlebens des Klägers in seiner neuen Ehe kann sich nur im Rahmen der Konkurrenz des Unterhaltsanspruchs seiner neuen Ehefrau mit dem Unterhaltsanspruch der Beklagten im Rahmen der Leistungsfähigkeit auswirken, nicht hingegen auf die gebotene Bedarfsbemessung im Wege der Halbteilung der ehelichen Lebensverhältnisse.
Rz. 10
Der Unterhalt für das nach Scheidung der Ehe von M und F1 geborene Kind von M und F2 ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen.
bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2
Rz. 11
F2 ist zwar, wie noch zu zeigen ist, vorrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung. Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt.
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den ...