Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
a) Volles Haftungsregime
Rz. 178
Bei einem Erwerb des Unternehmens vor Eröffnung der Insolvenz greift das allgemeine im Rahmen eines Asset Deals anzuwendende zivilrechtliche Haftungsregime ohne irgendwelche Einschränkungen. Damit haftet der Erwerber bei Firmenfortführung für die betrieblichen Schulden nach § 25 HGB, die Arbeitsverhältnisse gehen nach § 613a BGB ohne Haftungsbeschränkung über. Lediglich die Haftung für Steuerschulden des Schuldners nach § 75 AO ist aufgrund der von der Rspr. vorgenommenen entsprechenden Anwendung der Haftungsfreistellung des § 75 Abs. 2 AO auf den Zeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens ausgeschlossen.
b) Anfechtung gem. §§ 129 ff. InsO
Rz. 179
Weiter besteht die Gefahr der Anfechtung des vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen (und vollständig erfüllten) Unternehmenskaufvertrages durch den (endgültigen) Insolvenzverwalter gem. §§ 129 ff. InsO.
aa) Zulässigkeit
Rz. 180
Eine Anfechtung von Rechtshandlungen des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters durch den (späteren) Insolvenzverwalter (selbst im Fall von Personenidentität) ist, soweit sie dem Schuldner zurechenbar sind, wie dessen eigene Rechtshandlungen grds. zulässig. Damit sind Veräußerungen, denen ein solcher Verwalter zugestimmt hat, anfechtbar.
Rz. 181
Eine Anfechtung scheidet jedoch aus, wenn mit der anzufechtenden Rechtshandlung eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO begründet worden ist. Nicht anfechtbar sind demnach nach der wohl herrschenden Ansicht in der Lit. grds. Rechtshandlungen eines sog. starken vorläufigen Verwalters, ausnahmsweise jedoch auch Rechtshandlungen eines sog. schwachen Verwalters, soweit er diesbezüglich zur Begründung einer Masseverbindlichkeit vom Insolvenzgericht ermächtigt wurde.
Hinweis
Soweit ein Erwerb vom vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgt, ist darauf zu achten, dass es sich (ungeachtet der Frage der grds. Zulässigkeit) entweder um einen sog. starken vorläufigen Verwalter handelt oder der vorläufige schwache Verwalter hinsichtlich der Veräußerung vom Insolvenzgericht zur Begründung einer Masseverbindlichkeit ermächtigt wurde. In diesen Fällen ist das Risiko einer Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff. InsO nach überwiegender Ansicht ausgeschlossen.
bb) Relevante Anfechtungstatbestände bei Unternehmensveräußerungen vor Antragsstellung
Rz. 182
In der Praxis sind im Zusammenhang mit einem Asset Deal vor Insolvenzantragsstellung insb. die Anfechtungstatbestände der §§ 132 Abs. 1 Nr. 1 und 133 InsO zu beachten.
Rz. 183
Gem. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann der Unternehmenskaufvertrag angefochten werden, wenn hierdurch die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden, der betreffende Vertrag spätestens 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, zur Zeit des Kaufvertragsschlusses der spätere Gemeinschuldner zahlungsunfähig war und der Erwerber zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich auf Grundlage einer wirtschaftlichen ex-post Betrachtung die Befriedigungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse ohne das anfechtbare Rechtsgeschäft günstiger gestaltet hätte, d.h. also insb., wenn der Erwerbspreis unangemessen niedrig ist. Die Bedeutung der Anfechtung nach § 132 InsO liegt v.a. darin, dass im Fall der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrages die vertragliche Grundlage für die zur Erfüllun...