Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
a) Besonderheiten bei der Kaufpreisbestimmung
Rz. 208
Entgegen der üblichen Kaufpreisfindung bei Unternehmenskäufen ergeben sich i.R.d. Insolvenz erhebliche Unterschiede. Zum einen greifen die üblichen, an vergangene bzw. erwartete Gewinne oder den Substanzwert anknüpfende Bewertungsmethoden wegen des Zusammenbruchs des Unternehmens nicht, zum anderen ist die Bestimmung eines Gesamtkaufpreises für das insolvente Unternehmen schon deshalb irreführend, da der Insolvenzverwalter u.a. wegen Kostenbeiträgen der Absonderungsberechtigten sowie ggf. bestehender Verwertungsabreden eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen veräußerten Gegenstände vorzunehmen hat.
Hinweis
Ein Erwerber sollte sich klar machen, dass der Verwalter ein potenzielles Kaufangebot vorrangig unter zwei Gesichtspunkten bewerten wird: als Bewertungsuntergrenze hat er einerseits die Liquidationswerte der einzelnen Wirtschaftsgüter anzusetzen; andererseits wird er auch einstellen, welche Masseverbindlichkeiten bei einer Liquidation bzw. weiterer Betriebsfortführung entstehen, denn auch diese beeinträchtigen die den Gläubigern zukommende Quote.
Kaufpreiserhöhend wirken sich aus Sicht des Verwalters dabei die Durchführung arbeitsrechtlicher Maßnahmen im Zuge der Unternehmensveräußerung aus. Der Verwalter hat weiter insb. ein Interesse daran, den Kaufpreis auf nicht mit Rechten Dritter belasteter Gegenstände zu allokieren (also insb. nicht bilanziell erfasste Vermögensgegenstände wie Know-how oder Kundenstamm und Firma), sodass der entsprechende Kaufpreisanteil vollständig als freie Masse zur Verfügung steht.
b) Besonderheiten bei Garantien
Rz. 209
Im Gegensatz zu der herausragenden Bedeutung von Garantieklauseln in Transaktionen außerhalb der Insolvenz, ist der Insolvenzverwalter regelmäßig nicht bereit, Garantien bezüglich des veräußerten Unternehmens abzugeben oder eine Gewährleistung zu übernehmen. Der Insolvenzverwalter kennt das Unternehmen und damit den potenziellen Kaufgegenstand i.d.R. erst wenige Wochen und nur sehr bruchstückhaft; zudem ist er in der überwiegenden Zahl der Fälle kein Kenner der Branche des Schuldnerunternehmens.
Daher wird der Verwalter das Haftungspotenzial im Unternehmen nicht adäquat einschätzen können und auf einen vollständigen Ausschluss der Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel bestehen. Demgegenüber sollte der Insolvenzverwalter seine Verfügungsbefugnis garantieren sowie die Existenz des verkauften Umlaufvermögens wie beweglichen Anlagevermögens. Bezüglich verkaufter Vermögensgegenstände sollte garantiert werden, dass sich diese im Eigentum des Gemeinschuldners befinden mit Ausnahme der Absonderungsrechten unterliegenden Gegenständen.
Auf der anderen Seite stellen Gewährleistungsansprüche (vorab zu befriedigende) Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, die die Insolvenzmasse belasten und für die der Insolvenzverwalter ggf. persönlich haftet (vgl. § 61 InsO). Allerdings wird häufig auch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters vertraglich ausgeschlossen sein.
Hinweis
Ein potenzieller Erwerber sollte sich der Ausgangslage des Verwalters bewusst sein und nicht zu viel Zeit mit der Verhandlung von Gewährleistungsfragen verschwenden. Umso wichtiger ist in solchen Fällen fehlender vertraglicher Absicherung eine umfassende Risikoanalyse des Unternehmens im Rahmen einer gründlichen Due Diligence; Kernbereiche sind im Rahmen einer übertragenden Sanierung dabei arbeitsrechtliche und ggf. umweltrechtliche Themenkomplexe: Eine solche Unternehmensprüfung ist aufgrund der besonderen Umstände der Insolvenz und des engen Zeitrahmens jedoch oft nur sehr eingeschränkt möglich. Dieses Dilemmas muss sich der Erwerber bewusst sein. Auch der regelmäßige Abschlag beim Kaufpreis vermag dies in Extremfällen nicht auszugleichen.