Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 17
Die Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlich gesicherten Methoden erleichtert den Parteien die Kaufpreisfindung. Sie hilft den Verhandlungspartnern dabei, ihre oft stark subjektiv geprägten Vorstellungen an einem objektiven Maßstab zu messen und hat damit Beratungs-, aber auch Argumentationsfunktion. Daneben kann die Unternehmensbewertung aber auch von rechtlicher Relevanz sein, so z.B. bei der Sachkapitalerhöhung durch Einbringung eines Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft, wie sie häufig beim sog. Share-by-Share-Deal erfolgt, bei dem der Kaufpreis in Form von Anteilen gezahlt wird. Denn hierfür ist häufig die Vorlage eines Wertgutachtens über das eingebrachte Unternehmen beim Registergericht erforderlich. Gleichwohl sollte man sich bewusst sein, dass es aufgrund der Vielzahl von rechtlichen, wirtschaftlichen und auch strategischen Faktoren, die bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen sind, keinen "objektiv" richtigen Unternehmenswert und daraus folgenden eindeutigen Kaufpreis gibt.
Rz. 18
In der Praxis sind folgende Verfahren der Unternehmensbewertung am häufigsten anzutreffen:
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Ertragswertverfahren: Das Ertragswertverfahren basiert auf der Annahme, dass der Wert eines Unternehmens hauptsächlich in den zu erwartenden Ertragsüberschüssen, also durch sein Potenzial, in Zukunft Gewinne zu erzeugen, besteht. Das Verfahren berücksichtigt die Anlagealternativen des Kaufinteressenten, der mit seinem Kapital entweder das Unternehmen erwerben kann oder sein Geld am Kapitalmarkt anlegt. Es wird v.a. bei der Bewertung von Handels- und Dienstleistungsunternehmen verwendet. Zunächst erfolgt eine Schätzung der durchschnittlichen, um außerordentliche Aufwendungen und Erträge bereinigten, Unternehmenserträge der letzten 3–5 Jahre, die dann auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abzuzinsen sind. Der dabei verwendete Kapitalisierungszinssatz liegt zwischen dem Zinssatz für langfristig angelegte festverzinsliche Wertpapiere als Untergrenze sowie dem marktüblichen Zinssatz als Obergrenze, zu dem noch ein Risikozuschlag hinzuaddiert wird (basierend auf Möglichkeit zur Prognose des Zins- und Inflationsrisikos sowie der Entwicklung der konkreten Branche und des Marktumfeldes). |
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Discounted Cashflow-Verfahren: Das Discounted Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) weist Ähnlichkeiten mit dem Ertragswertverfahren auf, da bei beiden stichtagsbezogene Barwerte zukünftiger finanzieller Überschüsse ermittelt werden, bezieht jedoch stärker die künftige Finanzstruktur des Unternehmens in die Berechnung mit ein. |
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Vergleichs- oder Multiplikatorenverfahren: Beim Vergleichsverfahren wird unter Rückgriff auf Marktwerte (d.h. Marktpreise, die bei vergleichbaren Transaktionen vergleichbarer Unternehmen (Peer Group) erzielt wurden) mittels Multiplikation eines Faktors (Multiple) mit einer Bezugsgröße wie dem EBITDA, dem EBIT oder einer anderen Größe eine Preisprognose für das zu bewertende Unternehmen erstellt. |
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Substanzwertverfahren: Die Substanzwertmethode, der heutzutage keine allzu große Bedeutung mehr zukommt, ermittelt schließlich, wie viel Kapital für den Aufbau einer vergleichbaren Unternehmenssubstanz erforderlich wäre. |
Rz. 19
Der Preis, der für ein Unternehmen letztlich gezahlt wird, kann natürlich von dem Ergebnis der Unternehmensbewertung abweichen. In der Praxis ist dies sogar der Regelfall. Denn die Preisfindung ist, wie eingangs erwähnt, ein Gegenstand der unternehmerischen Entscheidung sowie entsprechender Verhandlungen, bei der auch andere Faktoren mit hineinspielen. So mag bspw. der Käufer bereit sein, einen i.S.d. Unternehmensbewertung "objektiv" überhöhten Kaufpreis zu zahlen, weil ihm der Kauf einen strategischen Vorteil bietet oder aber langfristige Synergieeffekte zeitigt.