Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 113
In der Praxis des Unternehmenskaufs ist es mittlerweile absoluter Standard, dass die Parteien im Unternehmenskaufvertrag ein differenziertes System von Garantien mit zugehörigen Rechtsfolgen vereinbaren. Das hängt in erster Linie mit den Unzulänglichkeiten des gesetzlichen Gewährleistungssystems zusammen. Die Schaffung eines autonomen, von den gesetzlichen Regelungen weitgehend unabhängigen Haftungsregimes ist daher unabdingbar. In der Praxis erfolgt dies durch die Vereinbarung von sog. selbstständigen Garantieversprechen mit Rechtsfolgenvereinbarung.
Die Parteien sind weitgehend frei darin zu bestimmen, welche Umstände sie zum Gegenstand einer vertraglichen Garantie machen, welche Gegenstand einer Freistellung sind und welche wiederum im Rahmen einer Kaufpreisanpassung zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung ist eine Frage der Risikoallokation zwischen Käufer und Verkäufer: Während z.B. Ansprüche aus Garantien i.d.R. summenmäßig begrenzt sind (Caps) bzw. erst ab einem bestimmten Betrag im Einzelfall und der Summe nach zu ersetzen sind (De Minimis bzw. Freigrenzen oder Basket bzw. Freibeträge), ist dies bei Freistellungen und (nachträglichen) Kaufpreisanpassungen grds. nicht der Fall, d.h. hier findet eine Anpassung vom ersten EUR an auf einer EUR für EUR-Basis statt. Auch ist die Feststellung und Durchsetzung von Ansprüchen aus Kaufpreisanpassungen häufig einfacher und schneller durchführbar als die Geltendmachung von Garantieansprüchen.
a) Gesetzliche Gewährleistungsansprüche
Rz. 114
Ansprüche des Käufers eines Unternehmens als Kaufgegenstand können sich aus dem kaufrechtlichen Mangelgewährleistungsrecht ergeben (§§ 434 ff. BGB). Beim Share Deal, der als solcher ein Rechtskauf gem. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist, erwirbt der Käufer unmittelbar lediglich Mitgliedschaftsrechte und nicht das Unternehmen selbst oder die zugehörigen Wirtschaftsgüter. Gewährleistungsansprüche können sich hier zunächst aufgrund von Mängeln am Anteil selbst ergeben, z.B. weil dieser nicht im Eigentum des Verkäufers steht oder mit Rechten Dritter belastet ist. Mängel am dahinterstehenden Unternehmen können allerdings auch beim Share Deal zur Anwendung der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB führen, wenn der Rechtskauf der Anteile wirtschaftlich dem Kauf des Unternehmens gleichkommt, d.h. sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an der Gesellschaft erworben werden. Üblicherweise werden in der Praxis die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte umfassend abbedungen und durch eigenständige vertragliche Regelwerke in der Form von selbstständigen, verschuldensunabhängigen Garantieversprechen ersetzt.
b) Gesetzliche Haftungstatbestände
aa) Asset Deal
Rz. 115
Nach § 25 Abs. 1 HGB haftet der Erwerber eines unter Lebenden erworbenen Handelsgeschäfts für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, wenn er die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt. Diese Vorschrift ist beim Asset Deal von Bedeutung, wenn der Kern des bisherigen Unternehmens, d.h. die wesentlichen Vermögensgegenstände, verkauft werden und zumindest der prägende Teil einer Firma übernommen wird.
Rz. 116
Die Haftung des Erwerbers ggü. Dritten kann gem. § 25 Abs. 2 HGB durch Vereinbarung mit dem Veräußerer, Eintragung in das Handelsregister und anschließender Bekanntmachung ausgeschlossen werden. Der Haftungsausschluss muss zu seiner Wirksamkeit allerdings unmittelbar nach dem Übergang angemeldet und alsbald eingetragen werden. Alternativ zur Eintragung in das Handelsregister kann der Haftungsausschluss den Gläubigern auch einzeln von einer der Parteien mitgeteilt werden, entfaltet aber dann nur ggü. denjenigen Gläubigern Wirkung, denen die Mitteilung zugegangen ist. Verzichten die Parteien auf ein Vorgehen nach § 25 Abs. 2 HGB, sollte aus Käufersicht eine umfangreiche Freistellungsverpflichtung für das sich aus § 25 HGB ergebende Haftungsrisiko vertraglich vereinbart werden.
Rz. 117
Zu berücksichtigen ist auch die Haftung für betriebliche Steuern gem. § 75 AO. Der Käufer haftet danach für die seit Beginn des letzten Kalenderjahres vor der Übernahme entstandenen Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträge des Unternehmens. Ähnlich wie bei der Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB ist auch hier Voraussetzung, dass der Käufer alle Vermögensgegenstände erwirbt, die die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens oder Teilbetriebs sind. Die Haftung beschränkt sich dabei auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Auch im Hinblick auf die Haftung nach § 75 AO empfiehlt sich aus Käufersicht die Aufnahme einer umfangreichen Freistellungsverpflichtung des Verkäufers in den...