Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
I. Allgemeines
1. Einleitung
Rz. 1
Unternehmenskäufe (engl. Mergers & Acquisitions, kurz M&A) haben in den letzten Jahren beständig an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen. So summierten sich im Jahr 2021 die Private-Equity Investitionen im DACH-Raum auf rund 37.700 Mio. EUR. Im folgenden Jahr wurde dieses Ergebnis zwar um etwa 52 % verfehlt (18.100 Mio. EUR), was jedoch vor allem auf Deutschlands damalige Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zurückzuführen ist.
Rz. 2
Aber auch abseits von Mega-Mergers und großvolumigen Leveraged Buy Outs durch Finanzinvestoren wächst die Zahl der Unternehmensverkäufe stetig. Die Gründe hierfür sind vielfältig, angefangen bei dem im Mittelstand häufigen Problem, dass sich in der Familie kein geeigneter Nachfolger für das Familienunternehmen findet, bis zu Schwierigkeiten bei der Aufbringung von Finanzmitteln für eine den Anforderungen sich stetig wandelnder Marktbedingungen entsprechende Fortführung oder Expansion des Unternehmens, insbesondere durch den Erwerb von Know-how und der Beschleunigung des Wachstums sowie der Digitalisierung.
Rz. 3
Für den Rechtsanwalt stellt die rechtliche Betreuung eines Unternehmenskaufs auf der einen Seite eine große Herausforderung dar. Es gilt, sich in eine Vielzahl von juristischen Fragestellungen einzuarbeiten, Fallstricke – im Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und anderen Gebieten – zu erkennen und das Erkannte in der Vertragsgestaltung umzusetzen. Auch Verhandlungsstärke und eine schnelle Auffassungsgabe sind beim Unternehmenskauf gefragt. Schließlich sollte allem voran ein Verständnis für ökonomische Zusammenhänge und die wirtschaftlichen Interessen des Mandanten vorhanden sein.
Rz. 4
Auf der anderen Seite können M&A Mandate sehr einträglich sein. Die meist recht langwierigen Vertrags- und Verkaufsverhandlungen und die Tatsache, dass solche Mandate i.d.R. auf Stundenbasis abgerechnet werden, führen dazu, dass das Honorarvolumen erfahrungsgemäß relativ hoch ist. Das hat dazu geführt, dass sich der Wettbewerb um solche Mandate zunehmend verschärft hat. Immer öfter laden Unternehmen vor einer Mandatserteilung mehrere Kanzleien zu einem "Beauty Contest", bei dem die Bewerber ihre Teams vorstellen und zeigen, über welche Transaktionserfahrung sie verfügen.
2. Rolle des Rechtsanwalts und das Mandat beim Unternehmenskauf
a) Rechtsanwalt als führender Berater
Rz. 5
Unter den zahlreichen Beratern, die v.a. an größeren M&A Transaktionen mitwirken, kommt dem Rechtsanwalt eine zentrale Rolle zu. Das hängt damit zusammen, dass bestimmte Beratungsleistungen aufgrund des RDG ausschließlich durch Rechtsanwälte erbracht werden dürfen. So ist der Rechtsanwalt für die gesellschafts- und zivilrechtliche Gestaltung und Durchführung der Transaktion maßgeblich verantwortlich.
Darüber hinaus ist der Rechtsanwalt als maßgeblicher Vertragsgestalter auch Schnitt- und Sammelstelle für wesentliche Informationen, wie z.B. die Ergebnisse der Due Diligence, und hat daher meist einen guten Überblick über den Stand der Transaktion, was ihn häufig zum wichtigsten Ansprechpartner für den Mandanten macht.
Rz. 6
Je nachdem, ob der Rechtsanwalt auf Käufer- oder Verkäuferseite tätig ist, unterscheidet sich das Anforderungs- und Aufgabenprofil z.T. erheblich. So ist z.B. der Verkäuferanwalt i.d.R. für die Erstellung des ersten Kaufvertragsentwurfs und den Aufbau des Datenraums verantwortlich, während der Käuferberater sich in erster Linie mit der Durchführung der Unternehmensprüfung befassen muss. Darüber hinaus hat der Käuferanwalt (bzw. ihm beigeordnete, spezialisierte Kollegen) auch die Aufgabe, die Finanzierungsverträge zu prüfen und zu verhandeln, sofern der Erwerb ganz oder teilweise fremdfinanziert wird.
Rz. 7
Aufgrund der Vielzahl der zu erledigenden Aufgaben werden bei großen Transaktionen (innerhalb der Sozietät oder auch sozietätsübergreifend) anwaltliche Projektteams gebildet. Ihnen gehören neben auf Transaktionen spezialisierten Anwälten i.d.R. auch Gesellschafts-, Arbeits- und Steuerrechtler sowie Spezialisten unterschiedlicher Bereiche (IP/IT, Umweltrecht u.Ä.) an. Zunehmend werden M&A Transaktionen von In-House-Juristen der beteiligten Parteien begleitet. Deren Tätigkeit kann von einer bloßen Koordination der externen Rechtsberater bis hin zu einer vollständigen internen Abwicklung der Transaktion reichen.