Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
(1) Selbstständige Garantien
Rz. 122
In Unternehmenskaufverträgen werden regelmäßig selbstständige Garantien vereinbart. Diese treten, je nach vertraglicher Vereinbarung, neben die gesetzlich geregelten Beschaffenheitsgarantien nach §§ 443, 444 BGB bzw. Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder an deren Stelle. Der Verkäufer haftet dann unbedingt und ohne Rücksicht auf ein Verschulden i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB. Selbstständige Garantieversprechen, insb. deren Rechtsfolgen, sind gesetzlich nicht geregelt. Sie sind dogmatisch unter § 311 Abs. 1 BGB anzusiedeln. Die Parteien können daher sowohl ihre Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen frei ausgestalten. Da die Koexistenz vertraglicher und gesetzlicher Ansprüche wegen der z.T. widersprüchlichen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen grds. weder im Interesse des Käufers noch des Verkäufers liegen dürfte, sollte im Interesse einer klaren Regelung ein möglichst weiter Ausschluss für sonstige gesetzliche Ansprüche bzw. Anspruchsgrundlagen (einschließlich vorvertraglicher Haftung), vereinbart werden.
Nach der Schuldrechtsreform bestand einige Zeit Rechtsunsicherheit darüber, ob § 444 BGB, der Haftungsbeschränkungen bei gleichzeitiger Vereinbarung von Garantien verbietet, auch für selbstständige Garantien gilt. Diese Unsicherheit wurde mittlerweile durch die Neufassung der Vorschrift beseitigt.
(2) Zeitpunkt
Rz. 123
Zu bedenken und im Vertrag ausdrücklich zu regeln ist auch die Frage, auf welchen Zeitpunkt die Garantien jeweils abgegeben werden. Zunächst wird das immer der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages sein. Da zwischen dem Abschluss des Unternehmenskaufvertrages und dessen Vollzug (Closing) aber ein längerer Zeitraum liegen kann, sollten aus Sicht des Käufers (einzelne oder sämtliche) Garantien indes auch auf den Zeitpunkt des Vollzugs abgegeben werden. Wird dies vereinbart, sollte sich der Verkäufer in jedem Fall vertraglich die Möglichkeit einräumen lassen, vor oder bei Vollzug ggü. dem Käufer Umstände offenzulegen, die sich in dem Zeitraum zwischen Unterzeichnung und Vollzug ereignet haben und möglicherweise Garantieansprüche des Käufers begründen. Im Hinblick auf die so offengelegten Umstände kann der Käufer dann keine Ansprüche wegen Garantieverletzungen geltend machen. Eine solche Offenlegung erfolgt regelmäßig in einem auf das Datum des Vollzugs aktualisierten sog. Disclosure Letter. Umgekehrt ist der Käufer durch eine dadurch bewirkte Aushöhlung der Garantien nach Vertragsunterzeichnung zu schützen. Dies kann zum einen dadurch bewerkstelligt werden, dass Art und Umfang der nachträglichen Offenlegungen des Verkäufers eingeschränkt werden; zum anderen wird sich der Käufer für den Fall wesentlicher Offenlegungen, die (eigentlich) Garantieverletzungen darstellen würden bzw. auf den Wert des Unternehmens Einfluss haben, das Recht auf Rücktritt vom Vertrag bzw. Anpassung des Kaufpreises einräumen lassen.
(3) Subjektive Garantien
Rz. 124
In der Praxis werden Garantietatbestände häufig vom (besten) Wissen (best knowledge) des Verkäufers abhängig gemacht. Derartige subjektive Garantien sind selbstverständlich für den Käufer ungünstiger als objektive, da er im Zweifel die Beweislast dafür trägt, dass dem Verkäufer bestimmte Umstände bekannt waren.
Hinweis
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, vertraglich festzulegen, was als (bestes) Wissen des Verkäufers zu qualifizieren ist. Hierzu zählt die tatsächliche, positive Kenntnis des Verkäufers (Actual Knowledge); ggf. können auch Umstände, die der Verkäufer hätte kennen müssen, Anknüpfungspunkt sein (Constructive Knowledge). Hierbei ist zum einen der Sorgfaltsmaßstab (z.B. § 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG), zum anderen auch der Grad der Fahrlässigkeit, ab der die Unkenntnis des Verkäufers anzunehmen ist, vertraglich festzulegen.
Rz. 125
Da es sich bei dem Verkäufer i.d.R. um eine Gesellschaft handelt, ist weiterhin vertraglich festzulegen, wessen Kenntnis dem Verkäufer zuzurechnen ist. Auch bzgl. dieser Frage ist zwischen Asset und Share Deal zu unterscheiden. Bei einem Asset Deal, bei dem die Gesellschaft als Verkäuferin auftritt, gelten die allgemeinen Grundsätze der Wissenszurechnung im Unternehmen (§ 166 BGB; § 31 BGB i.V.m. § 35 GmbHG). Bei einem Share Deal ist eine organschaftliche Wissenszurechnung ggü. den Gesellschaftern, also über die Grenzen des Unternehmens hinweg, nur in Ausnahmefä...