Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 179
Weiter besteht die Gefahr der Anfechtung des vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen (und vollständig erfüllten) Unternehmenskaufvertrages durch den (endgültigen) Insolvenzverwalter gem. §§ 129 ff. InsO.
aa) Zulässigkeit
Rz. 180
Eine Anfechtung von Rechtshandlungen des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters durch den (späteren) Insolvenzverwalter (selbst im Fall von Personenidentität) ist, soweit sie dem Schuldner zurechenbar sind, wie dessen eigene Rechtshandlungen grds. zulässig. Damit sind Veräußerungen, denen ein solcher Verwalter zugestimmt hat, anfechtbar.
Rz. 181
Eine Anfechtung scheidet jedoch aus, wenn mit der anzufechtenden Rechtshandlung eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO begründet worden ist. Nicht anfechtbar sind demnach nach der wohl herrschenden Ansicht in der Lit. grds. Rechtshandlungen eines sog. starken vorläufigen Verwalters, ausnahmsweise jedoch auch Rechtshandlungen eines sog. schwachen Verwalters, soweit er diesbezüglich zur Begründung einer Masseverbindlichkeit vom Insolvenzgericht ermächtigt wurde.
Hinweis
Soweit ein Erwerb vom vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgt, ist darauf zu achten, dass es sich (ungeachtet der Frage der grds. Zulässigkeit) entweder um einen sog. starken vorläufigen Verwalter handelt oder der vorläufige schwache Verwalter hinsichtlich der Veräußerung vom Insolvenzgericht zur Begründung einer Masseverbindlichkeit ermächtigt wurde. In diesen Fällen ist das Risiko einer Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff. InsO nach überwiegender Ansicht ausgeschlossen.
bb) Relevante Anfechtungstatbestände bei Unternehmensveräußerungen vor Antragsstellung
Rz. 182
In der Praxis sind im Zusammenhang mit einem Asset Deal vor Insolvenzantragsstellung insb. die Anfechtungstatbestände der §§ 132 Abs. 1 Nr. 1 und 133 InsO zu beachten.
Rz. 183
Gem. § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann der Unternehmenskaufvertrag angefochten werden, wenn hierdurch die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden, der betreffende Vertrag spätestens 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, zur Zeit des Kaufvertragsschlusses der spätere Gemeinschuldner zahlungsunfähig war und der Erwerber zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich auf Grundlage einer wirtschaftlichen ex-post Betrachtung die Befriedigungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse ohne das anfechtbare Rechtsgeschäft günstiger gestaltet hätte, d.h. also insb., wenn der Erwerbspreis unangemessen niedrig ist. Die Bedeutung der Anfechtung nach § 132 InsO liegt v.a. darin, dass im Fall der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrages die vertragliche Grundlage für die zur Erfüllung des Vertrages vorgenommenen Verfügungen beseitigt wird; dies begründet die Inkongruenz dieser Leistungen und damit die erleichterte Anfechtbarkeit der zur Erfüllung des Unternehmenskaufvertrages vorgenommenen Verfügungen (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 1–3 InsO).
Nur für den Fall des sog. Bargeschäfts kann allgemein eine Anfechtbarkeit ausgeschlossen werden (§ 142 InsO). Ein solches liegt nur dann vor, wenn der Schuldner für die Veräußerung des Unternehmens in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang eine angemessene, gleichwertige Gegenleistung (Marktwert) erhalten hat.
Hinweis
Die in Unternehmenskauftransaktionen häufig vereinbarten Kaufpreiseinbehalte bzw. gestreckten Zahlungsvorgänge sind in Hinblick auf das Kriterium der Unmittelbarkeit als problematisch anzusehen. Weiter fehlt es im Fall einer (nur) teilweisen Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Erwerber unter Anrechnung auf den Kaufpreis grds. an dem Kriterium der Gleichwertigkeit; zudem kann dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger verletzt sein. Es ist daher in solchen Fällen zu empfehlen, einen sofort fälligen ...