Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 70
Neben dem nur sehr eingeschränkten Auskunfts- und Einsichtsrecht bestehen auch auf Ebene des Zielunternehmens Beschränkungen bzgl. der Herausgabe vertraulicher Informationen.
In einer Due Diligence werden regelmäßig hochsensible Unternehmensinterna nachgefragt bzw. offengelegt. Neben detaillierten Daten über die finanziellen Verhältnisse und die Unternehmensplanung des Zielunternehmens werden wettbewerbsrelevante, rechtliche und steuerliche Einzelheiten und Details über die Zusammensetzung und Qualifizierung der bei der Zielgesellschaft tätigen Personen zur Verfügung gestellt. All diese Daten und Informationen stellen demnach vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Zielgesellschaft dar. Demgegenüber sind gem. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG die Mitglieder des Vorstands einer AG grds. verpflichtet, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann für den Vorstand empfindliche rechtliche Folgen haben: So wird nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, bei börsennotierten Gesellschaften bis zu 2 Jahren, oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis der AG, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des Vorstands bekannt geworden ist, unbefugt offenbart. Neben potenziellen Schadensersatzansprüchen besteht weiter die Gefahr des Widerrufs der Bestellung zum Vorstand (§ 84 Abs. 4 AktG, vgl. § 38 Abs. 1 GmbHG) und die der Kündigung des Anstellungsvertrages (§ 626, § 314 BGB).
Allerdings muss eine Durchbrechung der Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG möglich sein, da ein Kaufinteressent eines Unternehmens ohne Kenntnisse von dessen Interna dieses wohl nicht erwerben würde. Die Verschwiegenheitspflicht, die als Ausdruck der organschaftlichen Treuepflicht des Vorstands keinen Selbstzweck darstellt, dient dem Schutz der Gesellschaft und wird daher durch das Unternehmensinteresse begrenzt; dieses bildet eine immanente Grenze der Schweigepflicht. Der Vorstand hat bei der Entscheidung über die Durchführung einer Due Diligence daher das Interesse der Zielgesellschaft an der Geheimhaltung gegen ihr Interesse an einer Anteilsübertragung an den potenziellen Erwerber im Rahmen einer umfassenden Einzelfallabwägung einzustellen. Dabei können insb. folgende Aspekte von Relevanz sein:
Aspekte gegen die Zulassung einer Due Diligence |
Aspekte für die Zulassung einer Due Diligence |
Bindung von Managementressourcen und internen Kapazitäten durch Vorbereitung und Bereitstellung von Unterlagen und Informationen mit der Gefahr von Verzögerungen und Störungen des Betriebsablaufs |
Unternehmerisches Interesse an der Beteiligung des Erwerbsinteressenten als Aktionär (Zufluss von Kapital/Stärkung der Kapitalbasis oder Zufluss von Know-how, Geschäftsverbindungen, etc.) |
Gefahr der Verbreitung vertraulicher, insb. wettbewerbsrelevanter Informationen und Verwendung im Wettbewerb gegen die Zielgesellschaft (insb. bei Scheitern der Transaktion oder bei Wettbewerber als Kaufinteressent) |
Festlegung eines angemessenen Kaufpreises auf Grundlage der Erkenntnisse im Rahmen einer Due Diligence; keine Veräußerung unter Wert und damit ggf. Zweifel an Solvenz/Überlebensfähigkeit des Unternehmens bzw. bei börsennotierten Zielgesellschaften Auswirkungen auf den Börsenwert der Anteile |
Unternehmenstransaktion wird nicht vom Veräußerer angestrebt (Unfriendly Take Over) |
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Rz. 71
Soweit der Vorstand bei der Abwägung die Durchführung einer Due Diligence für zulässig erachtet, sollte das Interesse der Zielgesellschaft an der Durchführung der Due Diligence durch einen entsprechend dokumentierten, mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschluss des Gesamtvorstands als "Herr der Gesellschaftsgeheimnisse" dokumentiert werden, wobei der Vorstand zu seiner Absicherung einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrates veranlassen sollte. Soweit sich einzelne Vorstandsmitglieder in einem Interessenkonflikt befinden, weil z.B. eine Due Diligence vorbereitet werden soll, bei der ein Vorstandsmitglied selbst Inhaber der zu veräußernden Aktien ist, sollte das betroffene Mitglied sich vorsorglich der Stimme enthalten. Weiter muss sich der Vorstand der Ernsthaftigkeit des Erwerbsinteresses des potenziellen Interessenten durch Vorlage eines Letter of Intent zwischen dem veräußerungswilligen Aktionär und dem Erwerbsinteressenten und der Vertraulichkeit des Interessenten durch Abschluss einer möglichst vertragsstrafenbewehrten Vertraulichkeitserklärung der Zielgesellschaft mit dem Erwerbsinteressenten versichern. In der eigentlichen Due Diligence sollten sensible Unternehmensinterna dann in Abhängigkeit von dem Fortgang der Transaktion ggf. in einem gestuften Prozess offengelegt werden; allgemein ist bei Freigabe von spezifisch angeforderten Informationen jeweils abzuwägen, ob die Offenlegung gerade dieser Date...